Maedchengrab
Gras. Nur ungefähr eine Minute später hielt Mellon ruckelnd an und zog die Handbremse. »Ich würde sagen, das ist es.«
Rebus machte die Tür auf und stieg aus. Er zog einen Ausdruck des Fotos aus der Tasche. Der Himmel war jetzt dunkler, aber noch nicht zu dunkel. Mellon zeigte ihm die Richtung. Rebus schaute, dann hielt er das Foto hoch, sein Blick wanderte zwischen dem Bild und der Landschaft hin und her.
»Kann zu jedem x-beliebigen Zeitpunkt aufgenommen worden sein«, informierte ihn Mellon.
Rebus wusste, was er meinte: Wahrscheinlich hatte sich in über hundert Jahren an dieser Landschaft nichts verändert.
»Die Sache ist nur«, sagte Rebus, »um diese Uhrzeit kann das Mädchen noch nicht viel weiter gekommen sein als bis Pitlochry. Als sie hier war, war es stockdunkel.«
»Dann ist das Foto doch nicht von hier, oder?«
Aber Rebus war nicht sicher. Er nahm sein eigenes Handy aus der Tasche und machte eine Aufnahme. Keine Profiqualität, aber er würde es trotzdem an Clarke schicken. Allerdings spielte sein Handy nicht mit.
»Kein Netz«, meinte Rebus.
»Normalerweise ist es ziemlich gut. Sie müssen einfach nur die richtige Stelle finden.«
»Also, selbst wenn das Foto hier aufgenommen wurde …«
»Hätte sie möglicherweise Schwierigkeiten gehabt, es zu verschicken.« Der Farmer nickte. »Gibt es noch andere Orte, die in Frage kommen?«
»Ein oder zwei.«
»Liegt einer von denen näher bei der Stelle, wo sie zuletzt gesehen wurde?«
»Ja, aber es gibt nicht so viele Übereinstimmungen wie hier.« Rebus blickte sich um. Manche würden den Ort als friedlich bezeichnen, andere als einsam. Der Wind pfiff um sie herum. Rebus wusste nicht genau, wonach er suchte, abgesehen von einem Gespür für das Warum und das Wer: Warum hier, und wer hatte diesen Ort gewählt?
»Ich nehme nicht an, dass Sie was Verdächtiges gesehen haben?«, fragte er Mellon. »Fremde, die länger als gewöhnlich Halt gemacht haben?«
Der Farmer stopfte seine Hände in die Taschen seiner Barbourjacke. »Nichts. Und ich habe rumgefragt, alle sagen dasselbe.«
»Reifenspuren, wo eigentlich keine hätten sein dürfen?«
Mellon schüttelte den Kopf.
»Und oben an der Straße?«
»An der Kreuzung links kommen Sie irgendwann wieder nach Alness.«
»Und rechts?«
»Auf die Straße nach Bonar Bridge.«
» W ie gut stehen die Chancen, dass ein Fremder diese Straße hier findet, Mr Mellon?«
Der Mann zuckte mit den Schultern. »Sie ist auf der Karte verzeichnet. Ich würde sagen, das Navi kennt sie auch.«
Rebus machte noch ein paar weitere Fotos, aber es wurde schon zu dunkel, als dass sie noch brauchbar gewesen wären. Er hatte einfach nur das Gefühl, etwas tun zu müssen.
»Sie sind weit gefahren«, sagte der Farmer. »Im Haus hab ich Tee, wenn Sie mögen.«
»Danke, aber ich hab noch ein paar Meilen vor mir.«
»Haben Sie genug gesehen?«
Rebus suchte den Horizont mit Blicken ab – jedenfalls das, was er noch erkennen konnte. »Ich denke schon.«
»Glauben Sie, das arme Mädchen ist irgendwo hier draußen?«
»Ich weiß es nicht«, gab Rebus zu.
Wieder im Landrover warf ihm der Hund einen Blick zu, den man für mitleidig hätte halten können.
30
Aus irgendeinem Grund – hauptsächlich weil er sich für nichts anderes entscheiden konnte – war er wieder auf der A9 und fuhr weiter Richtung Norden. Schon bald bog er nach Dornoch ab, fuhr vorbei an der Kathedrale (die nicht größer war als eine Dorfkirche) und hielt auf dem so gut wie menschenleeren Marktplatz. Ein Hotel und ein Geschäft hatten anscheinend geöffnet, aber die Straßen waren leer. Er stellte fest, dass er wieder Empfang hatte, und stieg aus dem Wagen, um beim Telefonieren ein bisschen auf und ab zu gehen.
»Und?«, fragte Siobhan Clarke.
»Ich bin ziemlich sicher.«
»Aber nicht hundertprozentig?«
»Nein.«
»Und was jetzt?«
»Ich hab ein paar Fotos mit meinem Handy gemacht, damit du siehst, was ich meine.«
»Bist du auf dem Rückweg?«
»Noch nicht. Ich hab in Dornoch Halt gemacht.«
»Bei dem Tempo bist du vor Mitternacht nicht zu Hause.«
Rebus’ Gedanken wanderten zu der kleinen Reisetasche auf dem Rücksitz. »Die Sache ist die, Siobhan, sie kann das Bild nicht von ihrem Handy geschickt haben. Nicht aus Edderton, nicht zu der Zeit, zu der sie’s geschickt hat.«
»Okay.«
»Also, wie kann es sonst versendet worden sein? Das Einzige, was mir einfällt, ist, dass es gar kein Foto war.«
» Was denn sonst?«
»Das Foto
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