Maedchengrab

Titel: Maedchengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin

Vom Netzwerk:

so?«, fragte er.
    »Das Wetter klingt grauenhaft da oben.«
    » Wir sind es gewohnt. Was kann ich für Sie tun, Nina?«
    »Eigentlich nichts. Ich wollte mich nur unterhalten.«
    »Ich muss Sie warnen – mein Akku ist gleich alle.«
    Sie hielt inne, als suche sie den richtigen Einstieg. » Wie kommen Sie mit dem Buch voran?«, fragte sie.
    »Sehr interessant.«
    »Das sagen Sie nur …«
    »Der Burry Man, der Green Man, Selkies und Meerjungfrauen … Ich erinnere mich an den Selkie aus Local Hero .«
    » War das nicht eine Meerjungfrau?«
    »Möglich.«
    »Klingt, als würden Sie’s wirklich lesen.«
    »Hab ich doch gesagt.« Er spähte hinaus auf die anschwellende See. Delphine. Nicht heute Abend. Und Selkies oder Gestaltwandler? Nicht in einer Million Jahren …
    »Gibt es … Fortschritte?«
    »Ein paar kleine«, lenkte er ein.
    »Müssen Sie die vor mir geheim halten?«
    »Es geht eher um Annette McKie.« Rebus dachte einen Augenblick nach. »Hatten Sie Gelegenheit, Sallys Freundinnen zu fragen?«
    »Keine von ihnen erinnert sich an ein Foto.«
    » War ja nur eine weit hergeholte Vermutung.«
    » Weit hergeholte Vermutungen sind anscheinend meine Spezialität.«
    »Meine auch. Und ich werde noch lange nicht damit aufhören.«
    »Ich hoffe, das ist wahr, John.«
    » Wäre aber schon ganz hilfreich, wenn Sie der Presse gegenüber meinen Namen nicht erwähnen würden.«
    »Ach ja?«
    »Das kommt bei den anderen nicht so gut an.«
    »Daran habe ich nicht gedacht.« Sie hielt erneut inne. »Ich reite Sie immer wieder rein, nicht wahr?«
    »Das konnten Sie nicht wissen.«
    Das Telefonat dauerte noch ein paar Minuten. Er hatte den Eindruck, dass die Frau – trotzdem es in ihrem Leben einen Bruder gab – einsam war. Die Freunde hatten sich wahrscheinlich entfernt, weil die Bandbreite ihrer Interessen schmaler geworden war. Er war erleichtert, als sein Handy mit einem Piepen ankündigte, dass der Akku gleich den Dienst quittieren würde.
    »Mein Handy gibt jetzt jede Sekunde den Geist auf«, erklärte er ihr.
    »Mit anderen Worten, Sie wollen mich abwimmeln.« Ihr Tonfall war jetzt barscher.
    »Nichts dergleichen, Nina.« Aber sie hatte bereits aufgelegt. Er atmete geräuschvoll aus und fuhr rückwärts aus der Parkbucht, hielt dann aber noch einmal und griff nach der Straßenkarte. Durness lag an der A838, die an der zerklüfteten schottischen Nordküste entlangführte. Um dorthin zu gelangen, musste er nur der A836 folgen, derselben Straße, die durch Edderton führte. Wie lange die Fahrt dauern würde, war eine andere Frage. Sein Handy hatte gerade noch genug Saft, um eine SMS von Siobhan Clarke zu empfangen: Lieber David Bailey, schwer zu sagen – sieht aber vielversprechend aus.
    Er fuhr zurück ins Zentrum von Dornoch und sah das Hotel gegenüber der Kathedrale, hell erleuchtet und einladend. Dort würde es Bier geben und eine gute Auswahl an Malt Whiskys. Auch was Wa rmes zu essen, wenn er Glück hatte. Vor seiner Abreise hatte er extra noch Geld eingesteckt, weil er wusste, dass er wahrscheinlich auswärts übernachten würde, also parkte er den Saab direkt vor dem Hotel und nahm seine Tasche vom Rücksitz.

31
    Er war früh wach und der Erste im Speiseraum. Ein üppiges Frühstück mit Rührei und Speck, dazu zwei Gläser Orangensaft und zwei Tassen Kaffee sorgten wieder für Klarheit in seinem Brummschädel. Über Nacht hatte es leicht gefroren, und eine milchige Sonne tat ihr Möglichstes, die dünne Wolkenschicht zu durchbrechen. Die Einwohner von Dornoch machten sich bereit für den Tag oder kehrten mit ihren Zeitungen nach Hause zurück. Rebus warf seine Reisetasche in den Saab, kratzte mit seiner Kreditkarte das Eis von der Windschutzscheibe und ließ den Motor an. Zuerst war die A836 eine zweispurige Landstraße, einigermaßen stark von Einheimischen, aber nur von wenigen Touristen befahren. Schwer mit Holz beladene Laster zwängten sich auf ihrem Weg in den Süden an Rebus’ Wagen vorbei. Er tankte gleich bei der ersten Gelegenheit – er war nicht sicher, ob noch eine kommen würde. Der Mann im Tankstellenladen schien es auch nicht zu wissen.
    »Kommt drauf an, wo Sie langfahren«, lautete seine Antwort.
    »Da haben Sie recht«, entgegnete Rebus, außerstande, etwas gegen die Logik des jungen Mannes einzuwenden. Dann, als er merkte, wie viel ein Liter Treibstoff kostete, bat er um eine Quittung. Wieder im Wagen betrachtete er noch einmal die Karte. Die Berge hatten allesamt gälische Namen, von