Maedchengrab
Auch hier ging es um Spurensicherung; der Fundort durfte nicht »verunreinigt« werden – Page hatte Clarke mit genau diesen Worten erklärt, weshalb sie vorläufig auf der anderen Seite des Absperrbandes zu bleiben hatte. Rebus gegenüber hatte er keinerlei Entschuldigung für nötig gehalten und darüber hinaus seine Existenz nicht mal zur Kenntnis genommen.
Obwohl er derjenige war, der den Fund gemeldet hatte.
Oder vielleicht, weil er derjenige war, der den Fund gemeldet hatte?
Dempsey hatte sich bei ihm bedankt, woraufhin Rebus erwidert hatte, das Ergebnis sei doch eher Rubys Verdienst.
»Das ist ein wunder Punkt«, hatte Clarke hinterher zu ihm gesagt. » Wie ich im Präsidium gehört habe, sind sich die Northern Constabulary und ihre Nachbarn von der Grampian nicht besonders grün …«
Jetzt sah sie auf ihr Handy. »Viertel nach zehn.«
»Kommt mir später vor«, meinte Rebus.
» Wie lange bist du schon hier draußen?«
Rebus dachte lieber gar nicht erst darüber nach. Statt dessen machte er Platz, um weitere Leute von der Spurensicherung durchzulassen. Sie duckten sich unter dem Absperrband hindurch, trugen ihre weißen Kapuzenoveralls und elastische Überschuhe, die beim Gehen knisterten. Schleppten Kisten und Plastikplanen. Der Leichenwagen war noch nicht eingetroffen. Mit ihm würden auch die Leichensäcke kommen. Aber noch hatte niemand etwas bewegt. Lediglich über zwei der Gräber waren notdürftig Zelte errichtet worden. Jemand war unterwegs nach Inverness, um mehr Zelte zu besorgen.
»Das kann hier endlos dauern«, sagte Clarke, scharrte wieder mit den Füßen.
» Wir könnten uns in den Wagen setzen«, meinte Rebus. Sie lehnte den Vorschlag mit einem entschiedenen Kopfschütteln ab. » Wenn Page dich braucht, wird er dich schon finden.«
»Er wird mich genau hier finden«, erklärte sie.
»Na, also ich gehe eine rauchen.« Sie nickte, und er ließ sie stehen, ging auf die Straße und zündete sich eine Zigarette an. Als er zurückblickte, sah er die langen Schatten der Kollegen über die Lichtung huschen. Einer der Generatoren machte einen Höllenlärm, aber das war besser, als die Stille zu ertragen oder die Gespräche der Kriminaltechniker mit anhören zu müssen.
Es war ein einsamer Flecken. Er konnte nicht anders, als sich zu fragen, ob sie lebendig hierhergebracht worden waren, möglicherweise geknebelt und gefesselt oder bewusstlos. Oder vielleicht schon tot. Weiteres Spurenmaterial – im Fahrzeug musste es welches geben. Fasern von Kleidung; Haare; vielleicht sogar ein bisschen Speichel oder Blut.
War es Tag oder Nacht, als sie hergebracht worden waren? Er vermutete Letzteres. Aber ein Wagen, der nachts an der Straße parkte, wäre jedem Vorbeifahrenden verdächtig vorgekommen – ein weiterer Grund, damit in den Wald hineinzufahren.
Wo er möglicherweise Reifenspuren hinterlassen hatte, Farbkratzer an einem Baumstamm oder einem Ast.
Die Forensiker würden erst am Morgen tätig werden, sie brauchten Tageslicht für ihre Arbeit.
Die Straße war jetzt auf beiden Seiten gesperrt, Umleitungsschilder waren aufgestellt worden. Als sich ein Mann zu Fuß näherte, war Rebus alarmiert. Seine Schuhe und Hosenbeine waren feucht, was bedeutete, dass er die Wachposten umgangen hatte, indem er übers freie Feld gelaufen war.
Ein Journalist.
Er hatte sein Handy aus der Tasche gezogen und filmte. Rebus bedeckte sein Gesicht mit der Hand.
»Pack das verfluchte Ding weg, es sei denn, du willst die Nacht in einer Zelle verbringen«, blaffte er ihn an. »Und dann verzieh dich!«
»Darf ich Sie zitieren, Officer?« Der Mann war jung, sein helles lockiges Haar spähte unter der Kapuze einer grünen Barbourjacke hervor.
»Ich mein’s ernst.« Rebus blickte auf und merkte erst jetzt, dass der Mann das Handy schon gesenkt hatte.
»Riesenpolizeieinsatz«, sagte der Reporter und stellte sich auf die Zehenspitzen, um über Rebus’ Schulter zu spähen. »Spurensicherung und so. Ich nehme an, das bedeutet, dass Sie was gefunden haben.«
»Das wirst du genauso früh erfahren wie alle anderen auch«, knurrte Rebus.
» Was zum Teufel ist da los?«
Rebus drehte sich zu der Stimme um. DCS Dempsey näherte sich mit großen Schritten.
»Pressegesocks«, erklärte Rebus, aber ihr Blick blieb auf den jungen Mann gerichtet.
»Hätte ich mir denken können, dass du als Erster hier aufschlägst, Raymond.«
»Irgendwas, das Sie mir mitteilen möchten, DCS Dempsey?« Er berührte den Touchscreen seines
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