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Maedchenlose

Titel: Maedchenlose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Augusti
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welcher Spannung alle um die verschlossene Posttasche versammelt sind, die nur der Hausherr öffnen darf, und mit welcher Genugthuung Sie endlich sagen: von Rose! Ihre alte Rose läßt Sie doch nicht im Stich, Sie können allezeit auf sie bauen, denn wenn sie von Natur auch ein leichter Vogel war, so hat sie doch ein treues Herz und vergißt niemals das Gute, das ihr erwiesen ist.
    Ihnen beschreiben, mit welchem Gesicht Erna hier aus dem Wagen stieg, als sie von ihrer Reise heimkehrte – das kann ich freilich nicht; es lag solch ein Glanz von Glück und Seligkeit darauf, daß ich auf den ersten Blick sah, es sei etwas Großes geschehen. Sie fiel mir um den Hals und flüsterte mir zu: »Rate, Rose, was ich gethan habe!«
    »Du hast dich verlobt«, sagte ich, und als sie ganz glückselig nickte und so hold errötete, wie ein Röslein, da sagte ich ohne Besinnen: »mit Herrn v. Rothenburg!« – Ich habe es ja schon seit zwei Jahren gewußt, daß er sie liebte; aber was sie darüber dachte, darüber konnte ich nie recht ins Klare kommen, denn sie hatte eine Art, kleineNeckereien und Anspielungen zurückzuweisen, daß ich mir dergleichen nur selten erlaubte.
    Ein paar Tage später kam Herr v. Rothenburg, Sie wissen, ich war immer eine Verehrerin von ihm, und er konnte mich zum Dank dafür nicht leiden; jetzt finde ich ihn noch viel schöner und interessanter, als vor zwei Jahren, aber wir sind gute Freunde geworden. Das Herz geht einem auf, wenn man die beiden zusammen sieht; sie sind so strahlend glücklich und haben doch dabei noch Sinn und Gedanken für andere Menschen. Es ist ein stolzes Paar, und wenn sie über die Straße gehen, bleiben die Leute stehen und schauen ihnen bewundernd nach; auch ich kann nur sagen: sie passen füreinander, als wären sie eigens einer für den andern geschaffen. Und das will etwas sagen, denn ich weiß nicht, ob es ein Wesen, wie unsere Erna, zum zweitenmal giebt, so klug und liebevoll, so gut und engelrein. Was hat sie mir in den beiden Jahren meines Hierseins gewährt, wie schwesterlich mich in alle fremden Verhältnisse eingeführt, wie zartfühlend mir den Weg gebahnt, um ihrer Mutter näher zu kommen! Wenn ich mich jetzt im Westheimschen Hause so heimisch fühle, als ob ich ganz und für immer hierher gehöre, so ist das zum größten Teil Ernas Verdienst, und nie kann ich ihr dafür dankbar genug sein. Sie meint zwar immer, ich hatte ihr alles reichlich vergolten, dadurch, daß ich sie in das praktische Leben eingeführt hätte, aber ich glaube, sie hatte das alles auch ohne mich gelernt, denn wenn sie sich mit ganzem Herzen einer Aufgabe widmet, so gelingt sie ihr auch, und sie ist vielzu klug, um das bißchen Wirtschaften nicht mühelos zu begreifen.
    In drei Monaten soll die Hochzeit sein, und wir sollen den Schmuck und das Licht unseres Hauses verlieren! Für Mütter darf es gar keinen Egoismus geben, und wenn Frau v. Westheim die Trennung überwinden kann, so werden wir andern ihrem Beispiel wohl folgen müssen. Vorher wollen Westheims mit Erna nach Ostpreußen reisen, um die Braut den Schwiegereltern vorzustellen. Es soll dort wunderhübsch und besonders das Gut des Bräutigams eine Perle unter den Gütern sein, so daß unser Liebling aus ein schönes neues Heim rechnen kann. Und wie wird die reichste Liebe von allen Seiten bemüht sein, der jungen Frau ein weiches Nestchen zu bereiten! Erna hat mir schon gesagt, daß ich sie bald besuchen müsse – und Sie können denken, wie gern ich dieser Einladung folgen werde!
    Eben steckt die Köchin den Kopf herein und verlangt energisch nach Rat und Anweisung; da muß ich flink meine Mappe zuklappen und in die Küche laufen, denn wenn das Abendbrot mißrät, laufe ich Gefahr, meine junge Freundschaft mit dem Bräutigam einzubüßen. Also ade, liebe Tante Emma! mit tausend Grüßen an das liebe Lindenhorster Haus bin und bleibe ich
    Ihre
    treue Rose.
    Zehntes Kapitel

Im Myrtenkranz
    Noch einen Blick werfen wir auf die uns wohlbekannten Personen, welche an einem der letzten Tage des scheidenden Jahres an der reich und festlich geschmückten Tafel des Westheimschen Hauses vereinigt sind, um Ernas Ehrentag zu feiern. An der Spitze sitzt das junge, eben vermählte Paar, und sein Anblick ist wohl geeignet, die Herzen der beiderseitigen Eltern mit Dank und Freude zu erfüllen. Erna ist eine holdselige Braut; aus den großen Augen strahlt volle, tiefe Befriedigung; ihre ganze Erscheinung ist umflossen von dem Zauber blühender Jugend

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