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Maengelexemplar

Titel: Maengelexemplar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Kuttner
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neben dem Typen sitzen«, versuche ich zu scherzen. »Und ich hab mir heute extra die Zähne geputzt für dich. Kein Mundgeruch für den Rest des Tages, kuck!« Ich puste ihm ins Gesicht und spitze danach die Lippen für einen längst fälligen Kuss. Philipp verzieht die schlechte Miene zum guten Spiel nicht und haucht einen flüchtigen Kuss in die Nähe meines Mundes.
    »Soll ich dir eine Karte von meinem Gesicht zeichnen, damit du das nächste Mal zielsicherer triffst?«, maule ich. Ich versuche, dennoch irgendwie liebenswert eingeschnappt zu klingen. Unsere einzige Chance, sonst hätte ich ihm schon lange eine gezimmert.
    »Och, Baby, jetzt sei nicht beleidigt, schließlich habe ich eine superlange Fahrt hinter mir, und dieser Idiot hat echt gestunken, und im Bistro gab es wieder keinen schwarzen Tee mehr.«
    Ich reiße mich zusammen: »O.k. Es tut mir leid, dass deine Fahrt nicht besonders schön war, aber es ist jetzt auch nicht dein persönliches Waterloo, dass der Typ kein Faible für Mundhygiene hatte. Jetzt bist du ja da, und ich hab mich auf dich gefreut! Lass uns was essen gehen.«
    Philipp zieht nach wie vor eine Fresse, landet aber immerhin einen Dreivierteltreffer beim nächsten Kussversuch.
    Wir fahren zum »besten Italiener der Stadt« (mein O-Ton, denn Philipp kann nicht verstehen, was ich an dem finde. Er hat schon bessere Nudeln gegessen. Natürlich.) und setzen uns in eine dunkle Ecke des eh schon schummerigen Lokals.
    Wir bestellen, wir essen und wir reden. Über Philipp. Und die Deutsche Bahn. Und über Philipp. Und darüber, wie
ziemlich cool
es alle fanden, ihn mal wiederzusehen in seiner Heimat. Und wie zurückgeblieben alle aus seinem Dorf sind. »Ich meine kulturell«, sagt Philipp. Ich stecke sehr viele Nudeln in den Mund, um nicht zu kotzen. Aber irgendwann sind die Nudeln alle, und ich befürchte, dass sie meine Geduld mitgenommen haben. Ich erinnere Philipp freundlich daran, dass er selbst vom Dorf kommt.
    »Was soll das denn bitte heißen, Karo? Ich wohne immerhin schon seit sieben Jahren in der Stadt und hab mich, im Gegensatz zu denen zu Hause, weiterentwickelt.«
    »Du hast dich in eine andere Richtung entwickelt, woher willst du wissen, ob deine Freunde sich nicht auch verändert haben. Vielleicht können die inzwischen alle super Mähdrescher fahren, oder was die da machen.«
    »Aber das ist doch nicht dasselbe! Keiner von denen weiß, was
Tagging
oder ein
Masterpiece
oder
Fill-ins
sind.«
    »Aber das weiß ich auch nicht, und du findest mich doch trotzdem eigentlich ganz o.k.«
    »Aber das ist doch wie Äpfel mit Birnen vergleichen, Karo!«
    »Vergleich mich bitte nicht mit einer Birne, ich habe einen top Hintern!«, scherze ich. Aber es ist nur ein lahmer Versuch, mich selbst vor dem Durchdrehen zu bewahren. Ich bin sauer. Genervt und enttäuscht. Ich hatte jeglichen Rest von Romantik in mir zusammengekratzt. Wollte diesmal alles anders machen. Weniger von Philipp erwarten, ihm mehr zugestehen und vor allem das bisschen Sehnsucht nach ihm in positive Beziehungsenergie umwandeln. Schönes Essen, vielleicht Kino, später o.k.-en Sex leidenschaftlich verpacken und löffelnd einschlafen. Ein Mini-Neuanfang. Ich will wieder lieb sein. Dann muss Philipp das doch auch wollen. Ich mache keinen Mist, er im Gegenzug auch nicht. So sollte das laufen. Aber seit zwei Stunden läuft es so, dass ich keinen Mist mache, Philipp dafür doppelt so viel. Und da spiele ich nicht mehr mit.
    »Philipp, seit ich dich vom Bahnhof abgeholt habe, ziehst du eine Fresse Galore. Du bist nur am Meckern. Alles ist
wie immer
scheiße, alle sind
wie immer
gegen dich. Kannst du nicht einfach mal runterkommen? Können wir nicht einfach ein bisschen knutschen und uns über die Anwesenheit des anderen freuen?«
    »Du hast doch angefangen, zu diskutieren!«, nölt Philipp.
    »Aber nur, weil das blöder regionalrassistischer Scheiß ist, den du da erzählst. Und wenn dir die Leute da so zuwider sind, warum fährst du dann immer wieder hin? Weil du dir da einen kostenlosen Hirnfick holen kannst. Die Gewissheit, dass du nicht völlig blöde und talentfrei bist, denn da gurken Menschen rum, die noch weniger berühmt sind als du. So was ist narzisstische Scheiße!«
    »Eine Grappa auf die Hausse, bella Karo?«, fragt Rosario, mein Lieblingskellner mit dem fehlenden Gespür für brenzlige Situationen.
    »Nein danke«, brummen Philipp und ich gleichzeitig. »Aber die Rechnung bitte.«
     
    Wir fahren ins Kino. Wir sind

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