Maengelexemplar
irrsinnig genervt voneinander, fern jeglicher Romantik, aber wir fahren ins Kino. Wie immer tun wir so, als wenn alles seine Richtigkeit hätte. Ich blicke verkniffen auf die Straße, und Philipp zappelt eingeschnappt mit den Beinen. Ich möchte eigentlich gern gefragt werden, wie
meine
letzten fünf Tage so waren, oder ob ich noch immer so merkwürdig traurig bin, oder ob ich das Gefühl habe, dass es mit Anette vorangeht, aber womit Philipp das angestrengte Schweigen bricht, ist: »Was für ein Wichser!« Er meint einen Radfahrer, der bei einem Spurwechsel ein wenig zu nah an mein Auto kommt. Und dann drehe ich ganz ruhig um. Ich wende vorschriftsmäßig, lasse alle Fußgänger passieren, mache einen Schulterblick und fahre einfach wieder zurück.
»Was tust du?«
»Ich fahre nach Hause.«
»Warum? Wir wollten doch ins Kino.«
»Nein, Philipp, wollten wir nicht. Wir wollten ins Kino
wollen
, aber wir hassen uns grad, und ich habe einfach keine Lust mehr auf dich und deine Dreckslaune, dein dummes Gemeckere über die Fehler von anderen, das dir im Grunde nur das Gefühl geben soll, dass deine eigenen nicht so schwer wiegen. Ich habe mich wirklich auf dich gefreut, dachte, dass wir, wenn wir uns mal zusammenreißen, einen schönen Abend haben könnten und dass es vielleicht bergauf gehen könnte mit uns. Aber du kotzt mich grade an und machst mir schlechte Laune, und deshalb will ich jetzt nach Hause.«
Philipp ist entrüstet: »Dir kann man es nie recht machen. Du meckerst immer nur an mir rum, alles, was ich mache, ist falsch und gefällt dir nicht.«
»Alles, was du machst, ist rumkotzen! Hassen! Und nein, das gefällt mir nicht. Ich ertrage deinen Pessimismus nicht. Du ziehst mich runter! Ich dachte immer,
ich
wäre schon eine Meckerliese, aber
du
übertriffst mich bei weitem! Dir geht es doch gut. Du kannst deine Miete zahlen, hast ein Studium, das dir Spaß macht, und ein Hobby, das dich, auch wenn ich es nicht kapiere, ausfüllt. Was zum Teufel willst du mehr?«
Wir sind bei mir angekommen, ich parke ein und steige aus.
»Und was nun?«, fragt Philipp.
»Nichts was nun. Ich gehe hoch, und du nach Hause.«
»Wie soll ich von hier denn wegkommen?«
»Dies ist eine Großstadt. Es fahren Busse und Bahnen und Taxen und sogar affige Rikschas!«
»Aber wir wollten doch ins Kino!«
Für einen kurzen Moment habe ich Angst, dass ich unsere Auseinandersetzung nur geträumt hätte. Vielleicht hab ich das alles nur
gedacht
, während Philipp lauter charmante und gutgelaunte Sachen zu mir gesagt hat. Und jetzt ist er ganz verwirrt, weil ich gar nicht zum Kino, sondern nach Hause gefahren bin.
»Du hast nichts von dem, was ich eben gesagt habe, wirklich verstanden, oder?«, frage ich rhetorisch. »Ich will dich jetzt nicht mehr sehen. Vielleicht sollten wir uns mal eine ganze Weile nicht mehr sehen! Wir sind nicht gut füreinander«, sage ich und schließe meine Haustür auf. Wie Philipp das sieht, ist mir egal, ich drehe mich nicht noch einmal um. In meiner Wohnung angekommen, ruft er mich an. Ich nehme nicht ab. Ich bin ernsthaft wütend. Und erleichtert. Und stolz auf mich.
Später schicke ich noch eine SMS : » WIR SOLLTEN UNS EIN PAAR WOCHEN NICHT SEHEN , ICH KANN NICHT MEHR , WIR MACHEN EINANDER NICHT GLÜCKLICH , UND DAS KANN ICH ZURZEIT NICHT GEBRAUCHEN .«
Ich habe halb Schluss gemacht.
War gar nicht so schlimm, denke ich noch im Bett und warte auf den unvermeidlichen Schmerz.
Aber der kommt nicht.
Auch die nächsten paar Tage lässt Gevatter Trennungsschmerz auf sich warten. Ich bin zunächst sehr euphorisch und erwische mich dabei, Songs von Gloria Gaynor zu summen.
Ich gehe zu Anette, erzähle laut und schnell, wie fortschrittlich ich bin, dass ich mich endlich getraut habe, die Angst vor dem Alleinsein zu überwinden, schließlich habe ich so gut wie Schluss gemacht mit Philipp, und es ist gar nicht schlimm. »Ich glaube, ich bin doch nicht so verkorkst, wie ich dachte!«, schließe ich meinen Monolog stolz.
»Karo, du bist überhaupt nicht
verkorkst
. Du hast nur ganz normale Ängste und konfrontierst dich jetzt seit Jahren zum ersten Mal langsam mit ihnen. Und was genau bedeutet bitteschön,
so gut wie
Schluss gemacht?«
Ein wenig schwesterliche Anteilnahme, im Sinne von »Hey! Super! Den Arsch biste endlich los!«, hätte ich mir schon gewünscht von Anette. Stattdessen muss ich meine Trennung rechtfertigen. Ich erzähle von meiner SMS und davon, dass seitdem Funkstille zwischen uns
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