Maengelexemplar
Kontrollsucht ausbalanciert. Dass er so verschmust ist, dass wir manchmal nicht einschlafen können, weil wir nicht aufhören wollen, einander so nah zu sein. Max stört es nicht, dass ich rauche, er hat sogar einen kleinen Aschenbecher gekauft und seinen Balkon bepflanzt, damit ich es schön habe beim Rauchen.
Und Max stöhnt nicht, wenn ich das Finale einer schlimmen Castingshow sehen will. Er schaut brav mit, und obwohl er es fürchterlich findet, entscheidet er sich noch schnell für einen der Kandidaten als seinen persönlichen Favoriten, sodass wir beide entrüstet und wie verrückt schimpfen können, wenn die Konkurrenz gewinnt.
Max möchte sich merken, wie viel Zucker ich in meinem Kaffee mag, welche Bücher ich noch lesen will und welche Schokolade mir die meiste Freude bereitet. Er ist aufmerksam und wissbegierig. Das alles listet mir das Glück überheblich auf.
Noch Fragen, Karo?,
triumphiert es selbstgefällig.
Aber so einfach funktioniere ich nicht. Ich traue weder dem Glück noch mir selbst über den Weg. Das läuft mir alles zu glatt, so etwas bin ich nicht gewöhnt. Ich bin sicher, dass ich recht bald alles kaputtmachen werde. Ich habe zu keinem Zeitpunkt die Sorge, dass Max aus unserem Zug aussteigen könnte. Im Gegenteil, nie habe ich jemanden kennengelernt, der so verlässlich in Sachen Gefühlen wirkt. Der so bei sich selbst und bei mir ist. Aber mein Kopf rattert und rattert wie ein nervöses Perpetuum mobile.
Ich bin launisch wie ein Kind und zanke, um Max zu provozieren. Ich schlafe oft allein, um mir zu beweisen, dass es keinen Unterschied macht, ob ich mit oder ohne Max einschlafe. Und ich bestehe darauf, dass wir eine Affäre, keine Beziehung haben. Auch nach einem Monat witzle ich Max ins Gesicht, dass ich noch nicht bereit bin, einen Exklusivvertrag zu unterschreiben. Dass wir uns im Praktikum befinden und die Probezeit noch nicht abgelaufen ist. Max ist tapfer. Er witzelt mit, aber ich sehe in seinen Augen, dass er gegen eine Festanstellung nichts einzuwenden hätte. Und wenn ich ehrlich bin, habe ich das auch nicht. Ich habe nur schreckliche Angst davor, alles zu versauen. Mich einzulassen und nach ein paar Wochen festzustellen, dass meine Gefühle sich leise davonmachen. Dass ich anfange, mich zu langweilen. Die kleinste Ungereimtheit lässt mich panisch werden. Sobald Max etwas sagt oder tut, das mir nicht gefällt, kreischt mein Hirn sofort:
Siehste siehste siehste! Der isses nicht! Du findest den doch doof!
Der verkümmerte noch funktionierende Teil meines Gehirns wirft dann zögerlich ein, dass man nun mal nicht alles an einer Person super finden kann und dass man sich in einer Beziehung auch mal auf die Nüsse gehen darf, aber der hysterische Teil wird dann noch lauter und findet:
Nein! Man muss alles am anderen gut finden. Alles alles alles!
»Vielleicht können wir uns in ein paar Wochen gar nicht mehr leiden!«, murmle ich in Max’ Achselhöhle.
»Ja, vielleicht«, antwortet die Achselhöhle. »Aber daran könnten wir eh nichts ändern. Und ich habe grade das Gefühl, dass du das bist, was ich möchte.«
»Aber vielleicht ist das alles nur eine Phase. Vielleicht bin ich nur deine Übergangsfrau und du mein Selbstwertgefühlspolierer!«
»Ich weiß es nicht, Karo, aber wir müssen ja auch nicht morgen heiraten. Wir machen einfach so lange weiter miteinander, wie wir dabei glücklich sind«, sagt der schlaue Max und küsst meinen Kopf. »Und jetzt hör auf zu grübeln, du Stressvogel, und komm aus meiner Achselhöhle raus, damit ich mal eine unbehaarte Stelle von dir küssen kann!«
Mein Umfeld ohrfeigt mich von allen Seiten für meine Bedenken.
Therapeutin Anette sagt: »Karo, genieß doch einfach, wie es jetzt ist!«
Nelson sagt: »Du spinnst! Du bist glücklich, also red dir nicht das Gegenteil ein!«
Mama sagt: »Ach toll, mein Kind!«
Und Anna sagt: »Das klingt doch alles super! Wo ist dein Problem? Max ist kein egomaner Spinner wie Philipp und kein Psycho wie David. Er kennt dich schon seit Jahren und findet dich trotzdem gut! Was willst du denn mehr?«
»Ich weiß«, sage ich allen. »Ich weiß! Aber ...«
Aber aber aber.
Mein zauberhafter Bettpartner hält mich sehr geduldig aus. Wenn ich Zeit für mich brauche, bekomme ich sie, stelle ich dann fest, dass ich sie gar nicht will, darf ich unangekündigt und reumütig zurückkommen. Ich werde viel und oft und toll geküsst und umarmt und geliebhabt.
Und weil es ein unbefriedigender Sommer
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