Maengelexemplar
Kinder verkleidet und Eltern gedemütigt, uns an Apfelschorlebier betrunken und uns mit Kaugummizigaretten Lungenkrebs geraucht.
Wir sind sehr zufrieden und sehr erschöpft. Schweigend lassen wir die Beine baumeln, während der junge Frühling in den Nächten noch nicht ganz überzeugen kann.
»Was machst du jetzt noch?«, frage ich.
»Keine Ahnung. Du?«
»Weiß nicht.«
Na, läuft doch!
»Lass uns erst mal von hier verschwinden, mir wird langsam kalt.«
»Ich kann dir auch meine Jacke geben!«, biete ich an, Gentleman der ich bin.
»Du entmannst mich, Karo!«, schimpft Max.
»Ich werde doch noch meinem zarten guten Freund Max eine Jacke zum Schutz vor der bösen Kälte anbieten dürfen! Das nennt man Emanzipation, Mister!«
Auf der gemeinsamen Rückfahrt rumoren die Heizung meines Autos und mein Kopf gleichermaßen. Ich möchte von Max gerne ein winziges bisschen berührt werden. Ein leises Streichen über meine Wange oder ein kurzes Drücken meines Knies. Nur eine kleine Verbindlichkeit bitte. Irgendetwas, das mir Mut gibt, den nächsten Schritt zu gehen.
»Wollen wir noch eine DVD bei mir sehen?«, reißt mich Max aus meinen Gedanken.
Ich bejahe energisch und schlage vor, Alkohol zu kaufen. Mut antrinken, ist meine Alternative zu Mut haben. Es ist erbärmlich. Aber Max spielt den ganzen Quatsch mit und ist somit offiziell genauso erbärmlich wie ich.
In Max’ Wohnung trinken wir kleine Schnäpse und sehen irgendeinen Film. Dauernd kommentieren wir, was wir sehen. Wir schaffen es nicht, auch nur zehn Minuten am Stück einfach bloß zuzuschauen. Verschwenderisch und hektisch verwenden wir unsere Worte und Blicke füreinander. Max ist unentspannt. Das gefällt mir gut, auch er hat die Hosen voll.
Als der Film zu Ende ist, stelle ich fest, dass ich nicht mehr Auto fahren sollte. Ich hatte Schnäpse! Max bietet mir an, bei ihm zu übernachten, und ich komme mir vor wie ein schlechter Lügner. Als hätte ich etwas sehr schlecht eingefädelt.
»Du willst mich nur ins Bett kriegen!«, versuche ich, die Ruhe zu bewahren.
»Das habe ich vor, seit ich dich in den Lukas schreien gehört habe!«, sagt Max sehr ernst.
Hui, denke ich.
Und nach all dem Zähneputzen und Kontaktlinsen-Rausnehmen und Nachtlektüre-Suchen und Wecker-Stellen und Handy-Ausmachen fallen uns keine Stolpersteine mehr ein, die wir uns in den so gradlinig verlaufenden Weg räumen könnten.
Wir liegen im Dunkeln nebeneinander im Bett und sind ganz steif überall, zumindest an Körperstellen, die für Sexualität nicht primär von Interesse sind.
Ich muss lachen, es bringt ja nix. Max lacht mit, aber er klingt unsicher.
»Ist es komisch, dass ich jetzt in deinem Bett liege, wo vorher jemand anderes lag?«, frage ich leise. Ich fühle mich plötzlich nicht mehr wohl. Ich sollte hier nicht sein, denke ich.
»Nein. Im Gegenteil. Du machst dich sehr gut in meinem Bett!«, antwortet Max schläfrig.
Und dann nehme ich einfach seine Hand in meine.
»Ich bin sehr anstrengend, weißt du?«, murmle ich.
»Ja, das weiß ich.«
Und dann begreife ich, weshalb es sich so richtig anfühlt: Max kennt mich schon. Max weiß, wie ich bin, wenn ich laut und hässlich werde. Und er findet trotzdem, dass ich mich in seinem Bett gut mache!
Ich drücke seine Hand.
Max drückt zurück, und dann tun wir so lange so, als ob wir schlafen, bis wir einschlafen.
Als ich wach werde, halten wir uns nicht mehr bei den Händen, und ich bekomme Schiss, weil ich den Anschluss verpasst habe. Max liegt mit dem Rücken zu mir und zeigt mir einen Oberkörper voller Sommersprossen. Ich bin ganz verzaubert. So viele Punkte!
Aber bei Tageslicht und ohne alkoholische Ausrede fällt es mir schwer, wieder anzudocken. Ich liege mit geschlossenen Augen rum und grübele. Ich werde auch ein wenig wütend auf Max. Ich wünsche mir mehr Eigeninitiative. Bevor ich mich wie zufällig näher in Max’ Tanzbereich rollen kann, rollt er sich in meinen und greift nach meiner Hand. Auch wie zufällig.
Wir liegen weiter ein wenig mit geschlossenen Augen rum und planen die nächsten Schritte.
»Wie hast du geschlafen?«, fragt Max und dreht dabei seinen Kopf vorausschauend von mir weg.
»Ganz gut, dafür dass du ein mir bisher unbekannter Bettpartner bist«, antworte ich, die freie Hand schützend vor meinen Mund haltend.
»Vielen Dank! Du gefällst mir als Schlafpartnerin auch ausgesprochen gut!«, sagt Max zur Tür.
Wir müssen uns die Zähne putzen oder wenigstens etwas
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