Maengelexemplar
in der Großstadt ist und wir beide als sogenannte Freelancer unsere Arbeitszeit selbst einteilen können, kaufen wir uns einfach fünf Tage Mallorca. Wir buchen ein solides Drei-Sterne-Hotel, das am Strand liegt und einen tollen Pool hat. Sowohl Max als auch ich sind leicht von der Form eines Pools zu beeindrucken, stellen wir fest. Je verschwurbelter ein Pool ist, desto besser. Eckige oder nierenförmige Pools kommen uns nicht in die Tasche. Wir wollen viele Rundungen und versteckte Nischen und Ecken und Tiefen und Inseln. Nachdem wir ein solches Traumobjekt gefunden haben, sagen wir energisch
jetzt buchen
zum Internet, und das Internet lässt sich nicht zweimal bitten und schickt
Herrn und Frau Herrmann
eine Buchungsbestätigung.
In vier Tagen geht es los, und Max und ich kichern viel, weil wir so aufgeregt sind. Wir kaufen gemeinsam Bücher und Sonnencreme und Reisespiele. Und ganz vorsichtig versuche ich, es mir in meiner neuen Zweisamkeit bequem zu machen. Versuche, nicht dauernd alles in Frage zu stellen.
Und genau in dem Moment, in dem ich mich fast einfach nur wohlfühle und kurz mal nicht aufpasse, kommt etwas und stellt mir ein Bein, und ich falle schlimm hin.
Meine jüngste Vergangenheit holt mich einen Tag vor unserer Abreise ein, während ich Bikinis packe.
Die Sonne blinzelt halbgar in mein Schlafzimmer, aber das imponiert mir nicht, denn morgen treffe ich ihre spanische Schwester, und die ist viel attraktiver, freue ich mich und lege die kleinen Stoffdreiecke zusammen. Ich bin unruhig. Anfangs irritiert mich das nicht, denn ich habe einen schönen Grund für eine gesunde Aufregung. Doch plötzlich fühlt sich meine Nervosität nicht mehr feierlich an, sondern hässlich und unschön bekannt. Es beginnt, in mir zu vibrieren, ich werde zitterig.
Na, dafür habe ich jetzt aber keine Zeit, versuche ich, meinen Körper zu mahnen und gleichzeitig zu ignorieren, und turne noch geschäftiger durch meine Wohnung. Rastlos trage ich Bücherstapel von einem Ort zum anderen. Ich sortiere verbissen, nahezu autistisch, Kleider und Schuhe in meine Reisetasche und spiele viel zu laut Musik, um nicht in mich hineinhören zu müssen. Aber meine Psyche ist eine Diva, sie will gehört werden, also wird sie proportional zur Musik lauter. Ich fühle mich wie vor einem Jahr im Baumarkt. Das Monster Angst kriecht langsam und bedrohlich auf mich zu.
Bittebitte nicht,
bettle ich verzweifelt und werde hektisch. Ruhe bewahren!, befehle ich mir. Das Problem orten!, befehle ich weiter. Was fehlt mir grad? Was macht mir solche Angst? Wo drückt der sogenannte Schuh?, frage ich im vertrauten Zwiegespräch mit mir selbst
. Ich habe keine Ahnung, aber er drückt unerträglich!,
kreischt mein hysterisches Ich zurück. Und es behält die Oberhand. Ich finde keinen Grund. Es geht mir gut, und ich fahre in den Urlaub mit einem Herren meiner Wahl. Und wenn ich zurückkomme, wartet das nächste Projekt in der Agentur, für die ich wirklich gerne arbeite. Ich weiß verdammt nochmal nicht für fünf Pfennig, was das Problem ist, also geh weg! Verpiss dich! Lass mich allein!
Aber meine Angst lässt mich nicht allein. Die Angst kann mich gut leiden und bleibt.
Ich versuche, tief zu atmen, mich zu beruhigen. Ich lenke mich ab. Ich bade, ich lese, ich versuche, zu schlafen, und sehe Mist im Fernsehen. Alles dämmt, aber nichts hilft. Ich werde zwar weniger panisch, aber nicht ruhig. Ich könnte meine kleinen blauen Notfallberuhigungstabletten nehmen. Aber ich weigere mich. Ich habe vor sechs Wochen meine Antidepressiva abgesetzt, da werde ich nicht wieder mit Tabletten anfangen. Meine Psyche ist jetzt erwachsen, sie wird sich selbst helfen müssen. Also dämmere ich, zerbrechlich wie ein frisch geschlüpftes Küken, auf meinem Sofa vor mich hin.
Ich muss diese Angst bezwingen. Ich werde nicht zulassen, dass sie mich kriegt. Und irgendwie schaffe ich es, sie auf dem Weg zu mir aufzuhalten. Ich halte die Angst eine Armlänge weit von mir entfernt. Das kostet viel Kraft, denn auch auf diese Distanz kann ich sie spüren, aber sie wird mich nicht kriegen.
So überstehe ich irgendwie den Tag, und meine Tasche ist abends fertig gepackt. Obwohl ich allein schlafen möchte, traue ich mir das plötzlich nicht mehr zu. Ich fahre zu Max, damit im Notfall jemand da ist. Max spendiert Tee, Umarmungen und tröstende Worte.
Aber ich trinke nicht, und ich höre nicht zu. In mir reißt sich etwas los und bewegt sich wieder schneller. Ich bitte Max, mich in
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