Maenner fuers Leben
Lächeln.
«Carol», sagt er.
Ich wiederhole den Namen im Geiste und finde, sie sieht genau aus wie eine Carol. Natürlich, unkompliziert, freundlich.
«Sie ist hübsch.» Ich gebe ihm das Foto zurück. Es scheint mir das Richtige – und im Grunde das Einzige – zu sein, was ich sagen kann.
Leo steckt das Foto wieder ein, und sein Kopfnicken sagt mir, dass er meine Einschätzung teilt, ohne ihr Aussehen schrecklich interessant oder wichtig zu finden.
Aber trotz ihrer alltäglichen Erscheinung werde ich plötzlich doch eifersüchtig. Es ist eine Sache, von einem Angelina-Jolie-Klon besiegt zu werden, aber etwas ganz anderes, gegen eine zu verlieren, die so eindeutig in meiner eigenen Liga spielt. Aber das hier ist kein Wettbewerb, sage ich mir und schalte die Leselampe wieder aus. «Und wo habt ihr euch kennengelernt, du und Carol?»
Leo räuspert sich, als denke er daran, mir eine geschönte Version der Wahrheit zu präsentieren, aber dann sagt er: «Das ist eigentlich keine große Geschichte.»
Das freut mich natürlich.
«Na los», dränge ich und hoffe auf eine Blind-Date-Geschichte, denn das ist wirklich das unromantischste, was ich kenne.
«Okay», sagt er. «Wir haben uns in einer Bar kennengelernt … am grässlichsten Abend des Jahres, zumindest in New York.»
«An Silvester?» Ich lächle und tue so, als wäre da nicht noch ein Rest von Bitterkeit.
«Beinahe.» Leo zwinkert. «An St. Patrick.»
Ich lächle wieder; seinen Abscheu gegen den dreizehnten März teile ich voll und ganz.
«Ach, komm. Was ist denn los mit dir? Hast du nichts übrig für eine ausgelassene Tour durch die Kneipen?», frage ich. «Mit Gejohle und Gebrüll und grünem Bier am frühen Morgen?»
«Doch», sagt Leo. «Wie ich sie überhaupt liebe, diese Horden von College-Bengels aus der Upper East Side, die da die U-Bahn vollkotzen.»
Ich lache. «Wieso warst du denn an St. Patrick unterwegs?»
«Schockierend, was? Ja, ich weiß … Ich bin nicht unbedingt ein Socialite, aber ich glaube, ich bin nicht mehr ganz so antisozial wie früher. Ich glaube, irgendein irischer Freund hat mich an dem Abend gewaltsam durch die Stadt geschleift …»
Ich widerstehe der Versuchung, zu sagen: Das ist mehr, als ich je geschafft habe … «Und Carol?», frage ich stattdessen. «Ist sie Irin?»
Das ist eine blöde, belanglose Frage, aber so kann ich weiter über Leos Liebesleben reden.
«So was Ähnliches, ja. Englische, schottische, irische Vorfahren – was weiß ich.» Dann fügt er ziemlich zusammenhanglos hinzu: «Sie ist aus Vermont.»
Ich zwinge mich zu einem freundlichen Lächeln, aber innerlich winde ich mich, als ich mir vorstelle, wie Carol am einem frischen Herbsttag das Scheunentor auf der Farm ihrer Familie öffnet und ihrem Freund aus der Großstadt stolz vorführt, wie man eine Kuh melkt … wie sie sich beide ausschütten vor Lachen, weil er es anscheinend nicht hinkriegt … wie die Milch ihm ins Gesicht spritzt, bevor er von dem buntbemalten Melkschemel ins Heu kippt … wie sie auf ihn fällt und ihren Overall abstreift …
Ich schiebe dieses Bild beiseite und erlaube mir noch einen letzten Versuch, an Carol heranzukommen. «Und was macht sie? Beruflich?»
«Sie ist Naturwissenschaftlerin», sagt er. «In der medizinischen Forschung an der Columbia University. Auf dem Gebiet der Herzrhythmusstörungen.»
«Wow.» Ich bin beeindruckt, wie es vermutlich alle Kreativen von den Naturwissenschaftlern sind – und umgekehrt.
«Ja», sagt Leo. «Sie hat was auf dem Kasten.»
Ich sehe ihn an und warte auf mehr, aber offenbar ist er fertig mit Carol. Er schlägt die Beine übereinander, und es klingt, als bemühe er sich um einen unbekümmerten Tonfall. «Du bist dran. Erzähl mir von Andy.»
Darauf zu antworten, ist nicht leicht, selbst wenn man nicht gerade mit seinem Ex redet. Also lächle ich und sage: «Ich weiß, du bist Reporter und liebst solche unbestimmten Fragen – aber kannst du trotzdem ein bisschen konkreter werden? Was willst du wissen?»
«Okay», sagt Leo. «Du willst eine konkrete Frage. Hm … Spielt er gern Brettspiele?»
Ich muss lachen. Leo hat sich immer geweigert, Brettspiele mit mir zu spielen. «Ja», sage ich.
«Aah. Das ist schön für dich.» Ich nicke. «Sonst noch was?»
«Tja … Lässt er das Frühstück weg – oder ist es für ihn die wichtigste Mahlzeit des Tages?»
«Letzteres.»
Leo nickt, als müsse er sich das merken. «Glaubt er an Gott?»
«Ja. Und an
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