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Maenner fuers Leben

Maenner fuers Leben

Titel: Maenner fuers Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Giffin
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dunklen Bartstoppeln an seinem Kiefer ein, die leicht zerzausten Koteletten, seinen langen, geraden Nasenrücken und die großen, gewölbten Lider.
    Mir dreht sich der Magen um, als mir klarwird, dass ich mich genauso fühle wie an dem Morgen, nachdem wir zum ersten Mal miteinander geschlafen hatten. An dem Tag war ich ebenfalls vor Sonnenaufgang wach, und ich weiß noch genau, wie ich starr neben ihm lag und ihn schlafen sah. Seine nackte Brust hob und senkte ich, und ich dachte: Und jetzt?
    Die gleiche Frage stelle ich mir auch jetzt, aber diesmal ist die Antwort eine ganz andere. Dieser Augenblick hat nichts Hoffnungsvolles. Es ist kein Anfang, sondern ein Ende. Gleich ist es Zeit, Leos Hand loszulassen. Gleich ist es Zeit für den Abschied.
    Ein paar Sekunden später landen wir mit einem harten Ruck. Leo klappt die Augen auf. Er gähnt, streckt sich auf seinem Sitz und lächelt langsam und verwirrt. «Hallo», sagt er.
    «Guten Morgen», sage ich leise. Meine Kehle ist trocken und zugeschnürt, aber ich weiß nicht, liegt es mehr am Durst oder an meiner Traurigkeit. Ich überlege, ob ich meine Wasserflasche aus der Tasche ziehen soll, aber ich bin noch nicht bereit, den Hautkontakt zu unterbrechen – schon gar nicht für einen Schluck Flüssigkeit.
    «Ist es schon Morgen?» Er wirft einen kurzen Blick durch das Fenster auf die dunkle Rollbahn.
    «Fast», sage ich. «Es ist halb sieben … Wir sind früher als geplant gelandet.»
    «Scheiße», sagt er, und in seinem Gesicht spiegelt sich das flaue, widersprüchliche Gefühl, das ich auch empfinde.
    «Was ist?», frage ich; ich will, dass er es für uns beide ausspricht, er soll sagen, wie unfassbar es ist, dass wir schon wieder in New York sind und dass es Zeit ist, den Tag in Angriff zu nehmen, den Tag und unser jeweiliges Leben.
    Er schaut auf unsere verschränkten Hände hinunter. «Du weißt, was ist.»
    Ich nicke. Dann drücke ich seine Hand ein letztes Mal und lasse sie los.
    In den nächsten paar Minuten folgen wir einfach dem Rudel; müde suchen wir unsere Sachen zusammen, ziehen die Jacken an und trotten aus dem Flugzeug hinaus ins Gate. Wir schweigen beide und kommunizieren überhaupt nicht miteinander. Erst vor den nächsten Toiletten wechseln wir einen Blick, der besagt, dass wir aufeinander warten wollen.
    Trotzdem bin ich ein paar Minuten später, als ich mir die Zähne geputzt und das Haar gebürstet habe, überrascht, als ich um die Ecke komme und sehe, dass er an der Wand lehnt und auf mich wartet. Er sieht auf eine raue Weise so gut aus, dass es mir den Atem verschlägt. Er verzieht lächelnd einen Mundwinkel, und dann wickelt er betont langsam einen Kaugummistreifen aus. Er faltet ihn in den Mund, kaut und streckt mir das Päckchen entgegen. «Auch einen?»
    «Nein, danke», sage ich.
    Er steckt das Päckchen in die Jackentasche und stößt sich mit der Schulter von der Wand ab. «Fertig?»
    Ich nicke, und wir gehen weiter in Richtung Gepäckband.
    «Hast du irgendwas aufgegeben?», fragt er.
    «Mein Equipment. Nur eine Tasche … und du?» Ich weiß, die Antwort ist nein. Leo ist immer mit möglichst leichtem Gepäck gereist.
    «Nein», sagt er. «Aber … ich warte mit dir.»
    Ich widerspreche nicht, und als wir am Band ankommen, hoffe ich unversehens, dass die Abfertigungskolonne sich heute Morgen eine Menge Zeit gelassen hat. Aber ich habe Pech. Sofort sehe ich meinen schwarzen Koffer, und mir bleibt nichts anderes übrig, als mich danach zu bücken, um ihn vom Band zu nehmen.
    «Lass mich das machen.» Leo schiebt mich sanft zur Seite und wuchtet den Koffer mit leisem Ächzen herunter. Eine Sekunde lang tue ich schuldbewusst so, als sei dies wirklich mein Leben: Leo und ich, der Reporter und die Fotografin, kommen nach einem gemeinsamen Promi-Termin zurück nach New York.
    Leo balanciert seine Reisetasche auf meinem Koffer und fragt: «Hast du einen Wagen bestellt?»
    Ich schüttele den Kopf. «Nein. Ich nehme ein Taxi.»
    «Ich auch. Teilen wir uns eins?»
    «Gern», sage ich, aber ich weiß, dass wir damit nur das Unausweichliche hinauszögern.
    Leo strahlt auf eine Weise, die ich ebenso überraschend wie beruhigend finde. «Okay», sagt er munter. «Dann los.»
    Der aufdämmernde Frühlingsmorgen draußen ist kühl und frisch. Ein weiches, rosarotes Licht überzieht den wolkenlosen Himmel. Keine Frage, es wird ein schöner Tag werden. Wir gehen am Randstein entlang zum Taxistand und stellen uns in die kurze Warteschlange. Wir kommen

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