Maenner fuers Leben
Jesus.»
«Sehr gut. Und … äh … fängt er im Flugzeug Gespräche mit seinem Nachbarn an?»
«Manchmal», sage ich lächelnd. «Aber nicht mit seinen Ex-Freundinnen. Soweit ich weiß …»
Leo wirft mir einen betretenen Blick zu, aber er beißt nicht an. Er seufzt nur laut und sagt: «Okay … wir wär’s damit: Ist dein Mann ehrlich überrascht, wenn er seine Coke-Flasche aufschraubt und unter dem Deckel liest, dass er – o verdammt, wer hätte das gedacht – ‹diesmal leider nichts gewonnen› hat?»
Ich muss lachen. «Das ist wirklich komisch!», sage ich. «Denn es stimmt! Er rechnet damit, dass er gewinnt … Er ist der ewige Optimist.»
«Aha», sagt Leo. «Anscheinend hast du da einen soliden, Dame spielenden, Crunchies essenden, gottesfürchtigen Mann erwischt, für den das Glas immer halb voll ist.»
Ich pruste vor Lachen, aber dann befürchte ich, dass ich Andy bei Leos Frage-und-Antwort-Spiel unter Wert verkauft oder – noch schlimmer – irgendwie herabgewürdigt haben könnte. Also füge ich in entschieden loyalem Ton hinzu: «Ja, Andy ist ein wunderbarer Mann. Und ein guter Mensch … Ich habe großes Glück gehabt.»
Leo dreht sich um und sieht mich an, und sein Lächeln verschwindet. «Er auch.»
«Danke.» Ich merke, dass ich rot werde.
«Es ist wahr», sagt er. «Ellen … ich weiß nicht, wie ich dich habe gehen lassen können …»
Ich schenke ihm ein kleines Lächeln und werde verlegen. Erstaunlich, wie eine so schlichte Aussage so heilsam und aufregend und beunruhigend zugleich sein kann.
Und es wird nur noch schlimmer – und besser –, denn Leo klappt seine Rückenlehne nach hinten und legt den Arm auf die Lehne neben meinen. Unsere nackten Unterarme berühren sich. Ich schließe die Augen, atme ein und fühle einen Strom von Hitze und Energie, der mir die Luft nimmt. Es ist das Gefühl, sich etwas so sehr zu wünschen, dass es tatsächlich an Not grenzt, und die Macht und Dringlichkeit dieser Not überwältigen mich.
Ich befehle mir, den Arm wegzuziehen, denn ich weiß, wie entscheidend wichtig es ist, dass ich das Richtige tue. Ich höre den Schrei in meinem Kopf: Ich bin frisch verheiratet, und ich liebe meinen Mann! Aber es hilft nichts. Ich schaffe es nicht, mich zurückzuziehen. Ich schaffe es einfach nicht. Stattdessen drücke ich meine Rückenlehne zurück, sodass sie parallel zu seiner ist, und strecke die Finger aus in der verzweifelten Hoffnung, seine Hand zu spüren. Zögernd bewegt er seine Hand, sodass unsere kleinen Finger sich berühren, sich dann leicht übereinanderschieben, dann noch ein bisschen mehr und immer mehr, als sei da ein Sog, der ihn zu mir heranzieht.
Ich frage mich, ob er mich in der dunklen Kabine immer noch anschaut, aber ich halte die Augen geschlossen; ich hoffe, dass die Dunkelheit mir meine Schuldgefühle nehmen wird und das, was ich hier tue, später weniger real erscheinen lässt. Aber tatsächlich ist die Wirkung genau entgegengesetzt: Alles fühlt sich nur noch realer an, noch intensiver, denn man kann sich auf einen Sinn besser konzentrieren, wenn man die anderen Sinne ausblendet.
Die Zeit vergeht, aber wir sagen beide nichts. Leos Hand liegt auf meiner. Sie fühlt sich an wie in dem Diner an dem Tag, als das alles angefangen hat, aber es ist trotzdem etwas anderes. Diese Berührung ist nicht Teil eines Gesprächs. Sie ist das Gespräch. Sie ist außerdem eine Einladung. Eine Einladung, die ich mit einer langsamen Drehung meines Handgelenks annehme: Meine Handfläche liegt an seiner, und jetzt halten wir offiziell Händchen. Ich sage mir, dass es die unschuldigste aller Gesten ist. Verknallte Schulkinder halten Händchen. Eltern und Kinder halten Händchen. Freunde halten Händchen .
Aber nicht so. Niemals so.
Ich höre Leos Atem, und sein Gesicht ist dicht neben meinem. Unsere Finger verschränken sich ineinander, lösen sich und ordnen sich neu. Und so fliegen wir Richtung Osten und dämmern wir schließlich ein, schwebend im Himmel und in der Zeit, miteinander.
Irgendwann höre ich undeutlich die Ansagen der Flugbegleiter, aber ich wache erst wieder richtig auf, als wir im Anflug auf den Kennedy Airport sind. Schlaftrunken schaue ich aus dem Fenster auf die Lichter der Stadt hinunter, und dann drehe ich mich um und sehe, dass Leo noch schläft. Er hält noch immer meine Hand. Sein Kopf ist gesenkt, sein Körper leicht zu mir gedreht, sein Gesicht von der Kabinenbeleuchtung erhellt. Hastig präge ich mir die
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