Maenner fuers Leben

bisschen Zeit mit meiner Schwester verbringen können. Ich habe Drake Watters kennengelernt und fotografiert, Herrgott! Unter all diesen Umständen ist es doch wohl normal, ja, zu erwarten, dass man sich nicht nach seinem Ehemann verzehrt. Es ist immer so, sage ich mir beschwichtigend, dass derjenige, der in der alltäglichen Umgebung zurückbleibt, den Partner mehr vermisst als umgekehrt. Bis zum heutigen Tag bin ich immer ein bisschen einsam, wenn Andy auf einer Geschäftsreise ist.
    «Hast du Hunger?», fragt Andy.
    Ich nicke. Auch das, denke ich mir, ist zu erwarten, wenn man die ganze Nacht wach war und nur ein Päckchen Erdnüsse gegessen hat.
    «Hier. Iss.» Er deutet auf seine Waffel.
    «Nein. Das ist deine», sage ich unerbittlich. Es ist schließlich eine Sache, während eines romantischen, nächtlichen Transkontinentalflugs die Hand deines Ex-Lovers zu halten – aber eine ganz andere, deinem Ehemann eine Butterwaffel zu klauen.
    «Nein. Nimm sie.» Er träufelt mit Sirup ein kursives E auf die Waffel.
    Ich denke daran, wie ich auf dem Rücksitz des Taxis Leos Geld genommen habe, und entscheide, dass ich Andys Angebot jetzt nicht gut ablehnen kann.
    «Okay, danke.» Ich suche eine Gabel, lehne mich an die Theke und nehme einen Bissen.
    Andy sieht mir beim Kauen zu. «Schmeckt’s?», fragt er ernsthaft, als wäre er ein Koch bei einer Verkostung seiner neuesten kulinarischen Kreation. Ich entspanne mich und lächle zum ersten Mal an diesem Morgen aufrichtig und glücklich. Andy versteht es, aus dem kleinsten häuslichen Ereignis etwas Besonderes, eine liebevolle Geste zu machen.
    «Vorzüglich», sage ich. «Die beste Waffel, die ich je gegessen habe …»
    Er lächelt stolz, und dann macht er sich eine neue und gießt zwei Gläser Milch ein.
    «Komm, jetzt erzähl mir von dem Shooting», sagt er und zeigt zum Küchentisch.
    Ich setze mich, esse meine Waffel und erzähle ihm alles über die Reise; nur Leo lasse ich sorgfältig aus. Ich erzähle vom Hotel, von meiner Schwester, von dem Schnellrestaurant, wie aufregend es war, Drake kennenzulernen, und wie zufrieden ich mit meinen Fotos bin.
    «Ich kann’s nicht erwarten, sie zu sehen», sagt Andy.
    «Ich glaube, sie werden dir gefallen.»
    Sehr viel besser als der Artikel.
    «Wann kann ich sie sehen?», fragt Andy.
    «Heute Abend.» Ich frage mich, ob ich die Power habe, den Tag ohne ein Nickerchen zu überstehen. «Ich will gleich heute dran arbeiten …»
    Andy reibt sich die Hände. «Wahnsinn … Und mein Autogramm? Du hast mir doch bestimmt ein Autogramm mitgebracht?»
    Ich mache ein zerknirschtes Gesicht und denke, wenn ich gewusst hätte, dass Leo im Flugzeug auftauchen würde, hätte ich diese peinliche Bitte auf jeden Fall vorgebracht. Alles, um die Schuldgefühle zu lindern, die ich jetzt habe. «Tut mir leid, Honey», sage ich aufrichtig. «Es gab einfach … keine Gelegenheit.»
    Er seufzt melodramatisch und trinkt seinen letzten Schluck Milch. Ein weißer Schnurrbart bleibt über seinen Mundwinkeln zurück, und eine quälende Sekunde vergeht, bevor er ihn mit einer Papierserviette abwischt. «Ist schon okay.» Er zwinkert. «Diesmal werde ich deine Loyalität nicht in Frage stellen.»
    Obwohl das eindeutig ein Witz ist, dringen seine Worte wie ein Dolch durch mein Herz. Es gibt kein Vertun: Ich bin mies. Ich bin eine schlechte, eine ganz schlechte Ehefrau. Vielleicht habe ich es nicht verdient, wegen Ehebruchs mit dem Scharlachroten Buchstaben gezeichnet zu werden, aber in der Ecke stehen sollte ich auf jeden Fall. Eine Sekunde lang denke ich daran, alles zu gestehen, einschließlich des letzten, treulosen, absolut unnötigen Umwegs über Astoria. Aber die Gelegenheit dazu ist gleich wieder vorbei, als Andy seinen Teller wegschiebt, mit den Fingerknöcheln knackt und breit grinst. «Okay … Willst du hören, was ich gestern gemacht habe?»
    «Ja.» Ich stelle mir vor, wie er die Arbeit schwänzt und bei FAO Schwarz verschiedene Spielsachen ausprobiert – wie Tom Hanks in Big .
    «Ich habe einen Last-Minute-Flug gebucht und auch einen kleinen Tagesausflug unternommen», sagt er.
    Ich bekomme Herzklopfen. Ich weiß genau, was jetzt kommt, und schalte plötzlich auf Alarmstufe Rot. «Wirklich?»
    «Yep.» In meinem Kopf ertönt ein Trommelwirbel. «Nach Atlanta … um mir unser Haus anzusehen.»
    Ich starre ihn an, und ein gezwungenes Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus, als ich denke: Unser Haus .
    Andy nickt. «Es ist