Männer schweigen: Ein Sylt-Krimi
einförmige Spiel der Wellen ein letztes Mal betrachten. Christa Mönchinger trägt ein Flanellnachthemd mit winzig kleinen Streublümchen darauf. Ihre Haare wehen wie feine Fusseln im Nachtwind, und ihr Hals zeigt ein Würgemal in dunklem Blau, wie es ganz ähnlich auch Sibylla Polenz und Marga Mönchinger hatten.
»Sie glauben, Ihre Schwester hat Ihre Frau umgebracht?«, stößt Silja entsetzt hervor.
»Ich bin sicher, dass es so war. Sie hat es natürlich nicht zugegeben.«
»Herr Mönchinger, Sie irren sich«, erklärt Bastian Kreuzer jetzt mit ruhiger Stimme. »Der Mörder Ihrer Frau hat vor wenigen Stunden gestanden – und die Beweislast ist erdrückend.«
»Aber Christa hat Marga von Anfang an gehasst. Sie hat alles getan, um meine Frau schlecht zu machen«, stammelt jetzt Hubert Mönchinger und schaut mit einer Mischung aus Verachtung und Verzweiflung auf seine tote Schwester.
»Das mag sein. Aber umgebracht hat sie sie nicht.«
Bastian Kreuzer schweigt einige Sekunden, um Hubert Mönchinger Gelegenheit zu geben, sich von der Toten zu verabschieden und vielleicht einen letzten nicht von Hass, sondern von Zuneigung oder wenigstens Bedauern geprägten Blick auf sie zu werfen. Doch Hubert Mönchingers Blick ist leer.
Leise sagt der Hauptkommissar: »Herr Mönchinger, ich verhafte Sie wegen Mordes an Sibylla Polenz sowie Ihrer Schwester Christa Mönchinger.«
Hubert Mönchinger nickt kurz und hebt dann das Gesicht hinauf zum vollen Mond. Er schließt die Augen und bewegt leicht die Lippen. Es wirkt wie ein stilles Gebet.
Freitag, 24. Juni, 12.03 Uhr,
Alte Dorfstraße, Westerland
Grell klingt das Telefonklingeln an Siljas Ohr. Mit jeder Sekunde, die vergeht, ohne dass Judith den Anruf annimmt, wächst ihre Sorge. Doch als sie schon überlegt, wie sie noch Kontakt zu der Freundin aufnehmen könnte, meldet sich Judith endlich.
»Entschuldige, ich war gerade im Bad.«
»Sieht’s schlimm aus?«
»Na, du kennst ja bestimmt genug Fotos von misshandelten Frauen, um es dir vorstellen zu können. Immerhin habe ich im Gesicht keine offene Wunde. Den Kiefer habe ich übrigens röntgen lassen, da ist zum Glück nichts gebrochen. Und den blauen Fleck am Kinn kann man überschminken.« Judith lacht freudlos.
»Du Arme. Soll ich nicht doch am Wochenende kommen und dich ein bisschen verwöhnen?«
»Musst du nicht auf der Insel bleiben? Bei zwei toten Frauen habt ihr doch bestimmt rund um die Uhr zu tun.«
»Jetzt nicht mehr. Wir haben die Mörder. Und du hast einen entscheidenden Hinweis gegeben.«
»Jetzt sag aber nicht, dass dieser Behrmann wirklich in die Sache verwickelt war.«
»Er hat die zweite Frau umgebracht, wir haben schon ein Geständnis.«
»O Gott. Da habe ich mit meinem Malheur ja vergleichsweise noch Glück gehabt.«
Silja hört, wie Judith sich auf ihr quietschendes Bett fallen lässt. Sie ist unendlich froh darüber, dass die Freundin zu ihrem trockenen Humor zurückgefunden hat. Trotzdem mahnt sie leise: »Es bleibt aber dabei, dass du dir einen anderen Nebenjob suchst?«
»Ja klar, jetzt erst recht. Ich bin doch nicht lebensmüde. Bis ich den Bachelor habe, reicht mein Geld in jedem Fall. Und danach würde ich gern ein Praktikum in einer Galerie machen. Das würde mich unheimlich interessieren.«
»Du glaubst gar nicht, wie sehr mich das erleichtert.«
»Doch, kann ich mir vorstellen. Sag mal, war dein Angebot für den Wochenendbesuch ernst gemeint?«
»Natürlich. Allerdings könnte ich erst morgen Nachmittag kommen. Heute Abend habe ich ein Date.«
»Mit deinem Kollegen?«
»Genau«, antwortet Silja knapp, doch nach einer kurzen Pause fügt sie hinzu: »Sag mal, könnte ich dich um einen Gefallen bitten?«
»Klar.«
»Ich habe ihm versprochen, ihn ins Restaurant des Söl’ring Hof auszuführen, aber die waren am Telefon etwas zögerlich und wollten wohl noch Plätze für Hausgäste freihalten. Vielleicht könntest du anrufen und dein Glück versuchen? Dich kennen sie immerhin.«
»Wenn’s weiter nichts ist. Wann wollt ihr denn hingehen?«
»Am Abend, die Uhrzeit ist egal. Frag einfach, wann noch was frei ist.«
Freitag, 24. Juni, 21.17 Uhr,
Restaurant Söl’ring Hof , Rantum
»Kannst du dir vorstellen, wie viel Überredungskraft es mich gekostet hat, so kurzfristig für heute Abend hier noch einen Tisch zu bekommen?«, fragt Silja Blanck den Kollegen Bastian Kreuzer mit möglichst unschuldigem Augenaufschlag. Er muss ja nicht unbedingt wissen, dass es Judith war,
Weitere Kostenlose Bücher