Männer sind Helden
Meierei wohnten. Er war groß, und er hatte eine schwarze, wild abstehende Mähne. Seine Füße steckten in Cowboystiefeln, dazu trug er abgewetzte Jeans und – natürlich – so eine Secondhand-Lederjacke. Verstohlen blickte ich auf meinen Boss-Anzug hinunter. Was hatte dieser Mann, was ich nicht hatte? Plötzlich standen die beiden auf, er legte seinen Arm um ihre Hüfte und drückte sie kurz, aber bestimmt an sich. Ich hätte kotzen können! Die beiden stiegen in seinen alten klapprigen Ford. Im Schein der Leuchtreklame küssten sie sich.
Ich verfolgte sie. Neugierde und Eifersucht mischten sich und verursachten mir ein ständiges Ziehen in der Magengegend. Wenn sie ihn mit zu sich nach Hause nehmen würde, wäre die Frau für mich gestorben. Welche einigermaßen intelligente Frau würde schließlich diesen Taugenichts mir vorziehen? Die beiden fuhren in Richtung von Isabels Wohnung davon, ich folgte ihnen mit dem nötigen Abstand, so wie man das immer in den amerikanischen Actionfilmen sieht. Der Typ parkte vor ihrer Haustür, aber die beiden gingen nicht gleich zu ihr hinauf, sondern setzten sich noch in eine Kneipe um die Ecke.
Vom Auto aus konnte ich sehen, wie sie sich einen Tisch direkt am Fenster aussuchten und dann Wein bestellten. Nach einer Weile zog der Typ Isabel zu sich hinüber auf seinen Schoß. Er hielt seine Arme fest um ihre Hüfte geschlungen, sie lachte und warf ihren Kopf in den Nacken. Ich sah nur ihren Rücken. Der Typ ließ seine Hand unter ihr T-Shirt gleiten, und mit geübtem Griff öffnete er ihren BH. Mein Mund fühlte sich trocken an, am liebsten wäre ich sofort weggefahren, aber das Schauspiel nahm mich doch zu sehr gefangen. Mittlerweile hatte sich die Hand des Fremden den Weg nach vorne gebahnt. Wahrscheinlich streichelte er jetzt ihre Brüste! Plötzlich rief er die Kellnerin und bezahlte den Wein. Als die beiden aus der Tür kamen, duckte ich mich. Isabel blieb einen Moment stehen und blickte zum Himmel. Das Licht der Leuchtreklamen fiel auf ihr Gesicht. Mein Gott, wie schön sie war! Der Grufti zog seine Lederjacke aus und legte sie auf ihre Schulter, dann gingen die beiden zur Wohnung von Isabel. Ich wartete noch, bis das Licht in ihrem Schlafzimmer anging, dann hatte ich genug gesehen.
In „Charlies Bar“ war nicht sehr viel los. Zwei Männer saßen am Tresen, in den Anblick ihrer Biergläser versunken, und in der Ecke knutschte ein Liebespaar. Ich bestellte mir einen Scotch ohne Eis und zündete mir eine Zigarette an. Was die beiden jetzt wohl trieben? Nach dem Vorspiel in der Kneipe waren sie bestimmt ohne große Umschweife zur Sache gekommen. Warum hatte ich bei ihr nur keine Chance gehabt? Oder war der Grufti etwa ihr Lover, über den sie nicht reden wollte? Ich betrachtete mich im Spiegel, der gegenüber dem Tresen hing. Eigentlich war ich doch ein ziemlich attraktiver Typ: braungelockte Haare, graublaue Augen, eine markante Nase. Auch mein Körper ließ nichts zu wünschen übrig. Durch den Sport hatte Fett bei mir überhaupt keine Chance, jeder Muskel war gut ausgeprägt. Noch dazu war ich erfolgreich, verdiente jede Menge Geld und fuhr einen Klasse-Wagen. Dieser abgetakelte Grufti hatte in meinen Augen jedenfalls recht wenig zu bieten, es sei denn, er war ein guter Liebhaber – allerdings eine Eigenschaft, die besonders starke und eigenständige Frauen nach meiner Erfahrung zu schätzen wussten. Dieser Gedanke versetzte mir einen Stich. Vielleicht war der Fremde sogar in der Lage, zweimal oder unter Umständen sogar dreimal hintereinander ...
In diesem Moment betrat eine Frau die Bar, ließ den Blick kurz durch den Raum schweifen und setzte sich an den Tresen. Das war schon einmal ungewöhnlich, denn der Tresenbereich ist schließlich (zum Glück) eine Domäne von uns Männern. Hier kann Mann noch ungestört sitzen und Bier trinken, ohne dass ein Geschlechtsgenosse auf die Idee kommen würde, einen anzuquatschen, es sei denn, Mann signalisiert Gesprächsbereitschaft. Die Frau jedenfalls war in den Bereich von uns drei Männern eingedrungen, jeder von uns hatte das mit einem scheelen Seitenblick registriert. Die Frau öffnete ihre Handtasche und kramte eine Schachtel Zigaretten heraus. Dann blickte sie sich Hilfe suchend um, anscheinend hatte sie kein Feuer. Ich überlegte gerade, ob ich ihr Feuer geben sollte, als ein anderer Mann schon sein goldenes Feuerzeug klicken ließ. Der Typ, so ein leicht frustriert aussehender Familiendaddy, versuchte, die Frau gleich
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