Männer sind Helden
ihr euch erst einmal trennen würdet. Irene könnte ja in eine deiner Wohnungen ziehen“, schlug ich vor.
„Damit sie sich ungestört mit ihrem Liebhaber treffen kann? Nein, das kommt überhaupt nicht in Frage.“
„Dann bleibt wohl nur die Scheidung“, sagte ich und wollte noch hinzufügen, dass ich ihm gerne als Anwalt zur Verfügung stehen würde. Das erschien mir dann aber doch nicht angebracht.
„Nein, Scheidung kommt überhaupt nicht in Frage“, erwiderte Udo. „Das können wir den Kindern nicht antun. Wir müssen uns halt arrangieren.“
Plötzlich kam Wind auf, und Udo ging los, um die Segel zu setzen. Irene und Isabel halfen ihm, während ich mich an die Pinne stellte. Binnen weniger Minuten glitt die „Diva“ lautlos über das Wasser, schräg in die Wellen gelehnt. „So macht das Segeln doch Spaß!“, schrie Udo zu mir hinüber. Er stand am Ruder, die blaue Schirmmütze tief in die Stirn gezogen. Eine Jacht zog ein paar Meter von uns entfernt vorbei. An der Reling stand ein korpulenter, mindestens ein Meter neunzig großer Kerl, der uns zuwinkte. Eine hübsche Blondine in weißen Shorts und roten Sweatshirt stand neben ihm.
„Das ist Lutz“, rief Udo und winkte ebenfalls. Lutz schrie irgendetwas zu uns herüber, aber wir verstanden kein Wort. Dann versuchte er es mit Handzeichen: Er tat so, als ob er ein Glas zum Mund führen würde, und deutete in Richtung Küste. Udo nickte und schrie so laut er konnte: „Ja, bis nachher!“ Als wir später ins Hafenbecken einliefen, sahen wir Lutz und die blonde Frau bereits auf dem Steg stehen, um uns zu empfangen.
„Mensch Udo, schön, dich zu sehen!“ sagte Lutz und klopfte Udo mit seinen Pranken auf die Schulter. Aus der Nähe betrachtet war dieser Lutz noch größer. Er überragte mich um einen Kopf, ich kam mir vor wie ein Gartenzwerg. Udo machte uns miteinander bekannt. Die Freundin von Lutz hieß Marina und war Fotomodell. Lutz lud uns ein, auf einen Drink zu ihm an Bord zu kommen. Er besaß ein Dickschiff, mit dem er bei Regatten an den Start ging. Irgendwann habe er sogar am Admirals-Cup teilgenommen, erzählte er. Wann genau das gewesen sein soll, konnte ich allerdings nicht in Erfahrung bringen. Konkreten Fragen wich er immer geschickt aus, indem er eine andere Segelgeschichte zum Besten gab. Sein Segler-Latein war übrigens unerschöpflich, wie sich im Laufe des Abends herausstellen sollte. Lutz schenkte uns erst einmal einen Jubi ein. „Na, dann man Prost!“, rief er und kippte sein Glas in einem Zug hinunter. Die Mädchen gingen an Deck, während wir Männer am dunklen Mahagonitisch in der Kajüte sitzen blieben. „Umso besser, dann sind wir unter uns“, sagte Lutz und schenkte uns noch einen Jubi ein. Danach fühlte sich der Hüne gestärkt genug, um uns von seinen Heldentaten auf hoher See zu berichten. Er erzählte uns, dass er mit einem Freund auf einem Katamaran die Welt umsegelt habe. „Non stop around the world“, sagte er und rollte dabei das R, wie es in Nordfriesland üblich ist. 5.300 Kilometer sei er gesegelt, von Brest nach Brest, auf der Jagd nach „dem blauen Band der Sieben Meere“, dem Jules-Vernes-Pokal.
„Bei Windstärke acht haben wir den Ärmelkanal durchquert, ich sage euch, wir dachten, unser letztes Stündchen habe geschlagen. Aber da wussten wir ja noch nicht, was in den Rossbreiten auf uns zukommen sollte...“ Dort seien sie tagelang herumgedümpelt, gemartert von der sengenden Sonne. „Wir hatten Brandblasen, so groß wie Kinderköpfe, aber das interessierte uns nicht. Wo bleibt der Wind? Wo bleibt der Wind?“, das war die einzige Frage, die uns beschäftigte.“ Aber jede Qual hat mal ein Ende, und nachdem sie mehrere Orkane und Stürme mit Wellen „so hoch wie Wolkenkratzer“ überstanden hatten, seien sie in der „Hölle des ewigen Eises gelandet.“
„Eines Morgens wachte ich auf und stellte fest, dass ich nicht mehr durch die Nase atmen konnte“, fuhr Lutz fort, „ich rannte zum Spiegel und traute meinen Augen nicht: Meine Nase war tatsächlich zugefroren. Aber ich hatte keine Chance, mir darüber Gedanken zu machen, denn in diesem Moment rammten wir einen Eisberg. Wasser drang von unten in unseren Katamaran. Einer von uns beiden musste hinuntertauchen, um das Leck zu stopfen.“
Natürlich sprang Lutz in die Fluten, um zu tun, was getan werden musste. Er schaffte es, das Leck zu schließen, brach sich aber, als er wieder an Bord steigen wollte, den Arm, weil er an der Reling
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