Männer sind Helden
festgebunden. „Jetzt wirst du gemartert, jetzt wirst du gemartert!“, schrieen sie und stießen ihr schrecklichstes Kriegsgeheul aus. Bea jammerte, dass sie nicht gemartert werden wolle, aber die Jungs kannten keine Gnade. „Danach rösten wir dich auf der Herdplatte!“, kreischte Timo.
„Nun ist aber Schluss!“ Doris packte Timo und Florian an den Ohren. „Wenn ihr nicht sofort aufhört, eure Schwester zu ärgern, dürft ihr nächste Woche nicht die Simpsons sehen.“ Timo und Florian waren sofort mucksmäuschenstill und banden Bea vom Kühlschrank los.
Endlich kamen Irene und Udo. Beide sahen so aus, als hätten sie ein Kilo Zitronen verschluckt. Im Auto sprachen sie kein Wort miteinander. Isabel und ich saßen hinten und versuchten, Konversation zu machen – zwecklos. Es war so gemütlich wie im Leichenschauhaus. Erst als wir den Jachthafen erreichten, besserte sich die Laune der beiden. Segeln ist nämlich ihre gemeinsame Leidenschaft, an Bord sind sie ein eingespieltes Team. Die Jacht von Udo und Irene ist ein Prachtstück: acht Meter lang und Planken aus Holz. Getauft ist das Boot auf den schönen Namen „Diva“.
„Das ist noch ein richtiges Schiff“, sagt Udo immer, „kein Vergleich zu den neumodischen Joghurtbechern, die jeder Hans und Franz segelt.“ Udo lehnt technische Neuerungen strikt ab. Über Leute, die mit Computern navigieren, kann er nur lachen. Wenn es nach ihm ginge, würde er die Richtung immer noch nach dem Stand der Sonne und der Sterne bestimmen.
„Macht es euch schon mal gemütlich“, forderte Udo uns auf, als wir alle an Bord waren. Er ging zum Bug, um das Schiff startklar zu machen, und Irene stieg runter in die Kombüse. Zehn Minuten später erschien sie mit einem Tablett, auf dem vier Gläser mit Campari-O-Saft standen.
„Ihr könnt euch ruhig schon aufs Deck setzen“, sagte Irene. „Udo und ich schaffen das auch alleine.“
Vom Deck aus beobachteten wir das Ehepaar Schnarrenberger, welches an Bord ihrer Jacht frühstückte. Von Udo wusste ich, dass die beiden eigentlich gar nicht richtig segeln können, sondern das Boot nur aus Prestigegründen erworben hatten. „Die Schnarrenbergers segeln nur bei Windstärke null“, pflegte Udo zu sagen. Trotzdem waren sie wie Weltumsegler ausgerüstet – sie hatten sogar einen Eisbrecher an Bord. Dass sie einen Navigationscomputer besaßen, versteht sich fast von selbst.
Als sie bemerkten, dass Isabel und ich sie beobachteten, winkten sie uns zu. Isabel und ich winkten freundlich zurück. Zehn Minuten später tuckerten wir aus dem Hafenbecken. Die Sonne brannte vom Himmel, und ich nahm die Tube mit dem Sunblocker aus meiner Tasche, um nicht noch mehr zu verbrennen. Udo kam zu uns aufs Deck, sein halbleeres Glas in der Hand.
„Ich glaube, es ist nicht genug Wind, um die Segel zu setzen“, sagte er und blickte gen Himmel. „Heute Nachmittag ist aber Windstärke vier angesagt.“ Um drei Uhr wehte immer noch kein Lüftchen, und wir beschlossen, den Anker zu werfen. Isabel und Irene lagen in ihren Bikinis an Deck, während Udo und ich an der Pinne saßen, wo wir uns in Ruhe unterhalten konnten.
„Ich weiß nicht, was mit Irene los ist“, sagte Udo und betrachtete seine sauber manikürten Fingernägel. „Sie hat sich vollkommen verändert, sage ich dir. Seit der Geschichte mit diesem Mike ist sie aufmüpfig geworden. Andauernd redet sie von ihrem Recht auf Selbstverwirklichung und Emanzipation. Sie will sogar wieder in ihrem alten Beruf als Modedesignerin arbeiten. Das geht doch nun wirklich zu weit, oder?“
Ich überlegte einen Moment, um nicht das Falsche zu sagen. „Ich kann dir nicht uneingeschränkt zustimmen“, sagte ich, während ich mir noch ein wenig Sunblocker auf die Nase strich. „Eigentlich haben Frauen doch auch das Recht, einen Beruf auszuüben. Die Zeiten haben sich schließlich geändert ...“
„Ja, das mag sein. Unverheiratete Frauen können sich von mir aus ruhig im Berufsleben austoben. Ehefrauen, die Kinder haben, gehören aber nach Hause, da gibt es für mich gar keine zwei Meinungen.“
„Aber ihr habt doch sogar ein Kindermädchen“, wandte ich ein.
„Kinder brauchen ihre Mutter und damit basta“, sagte Udo. Eine Weile schwiegen wir und tranken unseren Campari-O-Saft.
„Hat Irene eigentlich ihre Affäre mit Mike beendet?“
„Sie sagt ja, aber ich weiß nicht, ob ich ihr das glauben soll“, erwiderte Udo und machte ein bekümmertes Gesicht.
„Vielleicht wäre es gut, wenn
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