Maenner und andere Fleischwaren
neue holen?«
»Ja, ähm, ist keine mehr da.«
»Und was ist mit der Verordnung?«
»Na, drücken wir mal ein Auge zu«, antworte ich und zwinkere ihm zu. Da, endlich, öffnet sich die Tür, und herein kommt ein Mann – der vermutlich den Ersten Weltkrieg noch höchstpersönlich miterlebt hat. Also nicht Lutz, so ein Ärger.
»Guten Tag«, flöte ich, während ich die Fleischwurst aufs Zellophanpapier lege.
»Ich würde gern«, beginnt der ältere Herr.
»Augenblick«, unterbreche ich ihn, »bin gleich für Sie da.«
»Nein, ich will ja gar nichts kaufen«, erwidert der Mann. Mein Herz bleibt stehen.
Simon mustert den Großvater interessiert. »Ich bin hier verabredet. Mit dir, glaube ich«, sagt er und lächelt mich mit seinen Dritten freundlich an. Jetzt passiert, was mir noch nie passiert ist: Ich lasse vor lauter Schreck die Wurst runterfallen. Was hatte Lutz geschrieben? Gut abgehangenes T-Bone-Steak? Na, der hier ist mehr als gut abgehangen – der ist schon eher vom Haken gefallen!
»Verzeihung«, sage ich, sowohl zu dem Herrn als auch zu Simon, der amüsiert beobachtet, wie ich zwei neue Scheiben Wurst auf die Gabel pikse. Was soll ich tun? Was soll ich nur tun? Bettina, in was hast du mich da reingeritten? Von wegen, Simon beeindrucken! Wenn ich mit diesem Typ hier rausgehe, denkt der höchstens, ich arbeite in meiner Freizeit beim ambulanten Pflegedienst!
»Es tut mir leid«, sage ich zu dem älteren Herrn, »da hat sich wohl jemand einen Scherz erlaubt.« Sehr gut, Franzi. »Das kommt in letzter Zeit häufiger vor, dass hier Leute aufkreuzen, die angeblich mit mir verabredet sind. Ich weiß auch nicht, was das soll.« Ein nervöses Lachen entringt sich meiner Kehle, Schweiß läuft mir über die Stirn.
»Ach, wirklich?« Lutz ist sichtlich enttäuscht. Ich nicke energisch. »Ja, tut mir wirklich schrecklich leid!«
»Wenn das so ist«, meint der Mann, »dann verzeihen Sie die Störung.« Er verlässt das Geschäft, den bin ich ja glücklicherweise leicht losgeworden. Simon steht noch immer da und wartet auf seine Wurst. Ich reiche ihm das Päckchen und nehme die üblichen 70 Cent entgegen.
»Tja«, sage ich noch zu ihm, »Sachen gibt’s!«
»Hm«, meint er, »wirklich seltsam.« Dann verlässt auch er – wenn ich mich nicht täusche kopfschüttelnd – den Laden.
»Ich mach da nicht mehr mit«, teile ich Bettina mit, als ich eine halbe Stunde später bei ihr im Wohnzimmer sitze. »Ich rufe diese Typen jetzt alle an und sage meine Verabredungen ab.«
»Gar nichts wirst du tun.«
»O doch, das werde ich! Ich hab keine Lust, dass da noch so ein Opi aufkreuzt.«
»Na, na«, meint Bettina tadelnd, »wer wird sich denn gleich von einem kleinen Tiefschlag umwerfen lassen?«
»Ich, wenn du’s wissen willst.«
»Aber du wolltest doch Simon eifersüchtig machen.«
»Bei solchen Verehrern errege ich höchstens sein Mitleid.«
»Jetzt hör schon auf. Wer A sagt, muss auch B sagen.«
***
Ich sage B. Nicht freiwillig allerdings. Bettina hat sich leider strikt geweigert, die Mails herauszurücken, und da standen die Telefonnummern drauf. Also ist es wieder kurz vor sechs, und ich bin mit den Nerven am Ende. Wer war heute dran? Jürgen, die Currywurst.
»Hallo! Ich glaube, wir sind verabredet.« Die Currywurst sieht ganz gut aus und ist schätzungsweise Ende dreißig. Ich atme auf. Also strahle ich ihn pflichtbewusst an.
»Ja, hallo, ich bin Franzi!« In diesem Augenblick kommt Simon herein. Perfektes Timing! »Augenblick«, sage ich zu Jürgen, »noch ein Kunde.« Jürgen stellt sich brav in eine Ecke. Ja, so wollen wir das sehen!
»40 Gramm Fleischwurst?«, frage ich Simon.
»Ja«, sagt er erwartungsgemäß. Also packe ich ihm seine zwei Scheiben ein.
»Wir können gleich los«, sage ich zu Jürgen. Schließlich muss Simon ja merken, dass ich verabredet bin. Mit einem Mann. Mit einem gutaussehenden Mann! Tatsächlich – Simon wirft Jürgen einen Blick zu. Sehe ich da eine Spur Argwohn in seinen Augen?
»DU MIESE, KLEINE SCHLAMPE!« Ein tobender Michael kommt zur Tür hereingestürzt. Ach du Scheiße! Mit großen Schritten stürmt er auf mich zu und greift über die Theke. Zack, hat er mich am Schlafittchen.
»Hallo, Michael«, presse ich hervor und versuche gleichzeitig, sowohl Jürgen als auch Simon ein entschuldigendes Lächeln zukommen zu lassen.
»DU DRECKSTÜCK«, beschimpft Michael mich weiter.
»He«, schreitet Simon auf einmal ein, »lass sie los!« Mein
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