Maenner und andere Katastrophen - Roman
Fakultät und strotzte nur so vor männlicher Kompetenz. Er war - im Gegensatz zu Holger - der ehrgeizigste Student, den es geben konnte. Außerdem war er auch der schönste Student, den es geben konnte. Anfangs hatte ich Katja glühend um ihn beneidet. Bis ich ihn beim Zelten in Holland näher kennenlernte.
Weil er seine Isomatte zu Hause vergessen hatte, machte er Katja während der ganzen Fahrt Vorwürfe. Sie hätte ihn gefälligst daran erinnern können, dass er sie einpacken solle, murrte er in anklagendem Ton von Köln bis Antwerpen. Erst als wir alle Katja dazu drängten, sich für ihre Unterlassungssünde vielmals zu entschuldigen, gab er Ruhe.
In der Nacht aber, als er feststellte, dass der Boden, in den wir das Zelt gebohrt hatten, zu hart für seinen durchtrainierten zukünftigen Managerkörper war, entsann er sich der Schuldigen für dieses Ungemach und zog Katja die Isomatte unter dem Schlafsack weg. Und während er sich, immer noch beleidigt, darauf einrollte, fegte er Katjas schläfrige Proteste mit dem Argument zur Seite, dass es nur recht und billig sei, wenn sie jetzt hart und kalt liege. Schließlich sei es ihre Schuld, dass sie ihn nicht erinnert habe. Katja baute sich ein Lager aus Handtüchern und Windjacken und sagte nichts mehr.
Als Jens heute aus seinem Auto stieg, fand ich ihn zwar immer noch umwerfend schön, aber ich gönnte ihn Katja von ganzem Herzen.
»Hallo«, sagte er und zwickte Katja fest in die Seite. »Fleißig gewesen?«
Katja und ich nickten, wie jeden Abend. Jens hätte sowieso nicht verstanden, wie man es fertigbringt, fünf Jahre zu studieren, ohne es wirklich zu wollen. Es konnten nicht alle so ehrgeizig sein wie er. Ich war sicher, dass er eine kometenhafte Karriere durch die Chefetagen im In- und Ausland vor sich hatte. Jens war sich da auch ganz sicher.
Katja brauchte sich immerhin um die finanzielle Seite ihres zukünftigen arbeitslosen Lebens keine Sorgen zu machen. An der Seite dieses Mannes würde sie immer satt einschlafen, wenn vielleicht auch manchmal etwas hart liegen.
Als die beiden gegangen waren, suchte ich seufzend nach meinem Fahrrad und machte mich ebenfalls auf den Heimweg.
Immer noch Montag
Ich wohnte noch in meinem Elternhaus, was aber nur halb so schlimm war, wie es klingt, weil meine Eltern nicht mehr dort wohnten. Sie waren vor sechs Jahren nach Gran Canaria ausgewandert, wo sie von meines Vaters Ersparnissen ein Haus mit Meerblick gekauft hatten und seine Beamtenpension und die Mieteinnahmen verprassten.
Mein Vater hatte eine eher harmlose Krankheit, deren kühl-gemäßigte Klimaunverträglichkeit rechtfertigte, früher in Rente zu gehen und die halbfertigen Kinder im deutschen Regen zurückzulassen.
Immerhin hatten sie uns die Wohnung in dem Haus überlassen.
Es war ein vierstöckiges, ehemals prächtiges Gründerzeithaus, das Seite an Seite stand mit wunderschönen, stuckverzierten Fassaden aus derselben Epoche. An den anderen Häusern konnte man sehen, wie unseres hätte aussehen können, wenn meine Großeltern sich nicht in den sechziger Jahren mit einer gründlichen Sanierung daran vergangen hätten.
Sie hatten die Fassade radikal des Stucks beraubt und die alten Sprossenfenster praktischen Kunststofffenstern geopfert. Sogar die wunderschöne, hölzerne Haustür hatte einer Drahtglassicherheitstür weichen müssen.
Ich mochte das Haus trotzdem. Wenn man ganz genau hinsah, konnte man hinter dem düsteren Rauputz immer noch erkennen, dass es ein altes, einstmals vornehmes Haus war.
Nachdem ich mein Fahrrad in den Hausflur und mich selber in den vierten Stock geschleppt hatte, beschloss ich, mich für den schweren Tag zu belohnen.
Ich ließ ein lauwarmes Melissenkräuterbad ein, zündete die Kerzen an der Wand an und vergrub mich bis zum Hals im Wasser. Genau da klingelte das Telefon.
Es war meine Freundin Bille. Sie war am Wochenende umgezogen und berichtete mir, dass sie in der Zwischenzeit einige der anderen Bewohner kennen gelernt habe - ausschließlich Männer. Und was für welche! Ein selten schöner und reicher in der Wohnung gegenüber, ein gutaussehender und interessanter ein Stockwerk darunter, darüber ein hübscher und charmanter, im Dachgeschoss ein sympathischer und sportlicher und in der Wohnung daneben ein toller Breitschultriger.
Die restlichen Wohnungen standen noch leer.
»Es wird nur eine Frage der Zeit sein, bis Daniel Day-Lewis und Kevin Costner sich dort einmieten werden«, sagte ich neidisch.
Bille lachte
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