Maenner und andere Katastrophen - Roman
gefärbt und für den Klodeckel einen zotteligen Überzug gekauft, der sich wie Seetang um die Brille rankte.
Obwohl so mancher Besucher einen spontanen Schreckensschrei nicht unterdrücken konnte, wenn er meine Toilette aufsuchen musste, gefiel mir mein Unterwasserbad nach wie vor ungemein.
»Ich werde meine Badewanne jetzt auch einweihen«, kündigte Bille an, als die männlichen Mieter in ihrem Haus endlich keinen Gesprächsstoff mehr hergaben.
Für einen Augenblick wurde ich beinahe auch auf ihre Badewanne neidisch, ein nagelneues Bad mit glänzenden, unberührten Armaturen und Marmorfliesen, eine Wanne ohne Risse im Email - aber was war das schon, verglichen mit eigenhändig aufgemalten Zebrafischen?
»Ich gönne es dir«, sagte ich daher großmütig.
»Die Männer oder das Bad?«, fragte Bille feinfühlig.
»Vorläufig nur das Bad«, gab ich zu.
Bille lachte zufrieden. Sie und ich waren schon zusammen zur Grundschule gegangen. In der Zeit der fehlenden Schneidezähne und ständig aufgeschlagenen Knien hatten wir uns alte Mückenstiche aufgekratzt, eine Blutsfreundschaft fürs Leben geschlossen und uns geschworen, uns in allen Lebenssituationen gegenseitig beizustehen.
Weil ich wegen einer Wirbelsäulenverkrümmung zum Leistungsschwimmen gezwungen wurde, begleitete mich Bille solidarisch drei Jahre lang zweimal die Woche, bis die Wirbelsäule wieder gerade war. Dafür revanchierte ich mich und nahm ihr zuliebe am Blockflötenunterricht bei Fräulein Pustehügel teil, die eigentlich Blasberg hieß. Auf diese Weise hatten wir beide mit neun Jahren bereits unseren Jugendschwimmer und konnten auf liebliche Weise »Alle Vögel sind schon da« zweistimmig flöten.
Auf dem Gymnasium ließen unsere ehrgeizigen Bemühungen spürbar nach, aber wir hielten uns nach wie vor an die Prinzipien unserer Blutsbrüderschaft, wenn es ums Abschreiben ging oder darum, einander Alibis für vergessene Hausaufgaben zu verschaffen.
Wir gehörten zu den Dummen, die niemals ganz verstanden, wie eine Gleichung mit drei Unbekannten gelöst wird, und die Latein als zweite Fremdsprache wählten. Heute erinnerten wir uns nur noch an den Satz »Cornelia clamat: Marce, serpens in horto est«, den wir immer dann zitierten, wenn die Rede auf unser Großes Latinum kam.
In Wahrheit beneideten wir aber die klugen anderen, die stattdessen Französisch gewählt hatten und mehr als »Au revoir« und »Eskevusavekelkeschosadeklare« sagen konnten. Die Gelegenheiten, in gewähltem Latein mit dem Satz: »Cornelia ruft: Markus, eine Schlange ist im Garten!« zu glänzen, waren ja auch ziemlich rar gesät.
Später teilten wir Freud und Leid der Anfängerkurse in der Tanzschule »Pickel und Strauß«. Aus Gründen, die wir bis heute nicht völlig durchschaut haben, wurden wir von unseren Eltern von jeder Party immer dann abgeholt, wenn es gerade schön wurde und bekamen den ersten Zungenkuss zu unserem großen Verdruss erst Jahre später als der Durchschnitt.
Während ich danach zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt meine Erfahrungen mit der Liebe machen musste, verliebte sich Bille überhaupt nicht mehr und konnte unbehelligt und zielstrebig ihre Ausbildung zur Buchhändlerin abschließen und einen verhältnismäßig lukrativen Job in der zweitgrößten Buchhandlung der Stadt ergattern.
Meinen Geschmack in Bezug auf Männer pflegte sie mit eher mitleidiger Überlegenheit zu kommentieren.
»Wenn ich mich jemals mit einem einlasse, dann muss es ein intelligenter, studierter, absolut erfolgreicher, interessanter, gutaussehender, schlanker und glattrasierter Mann sein«, sagte sie, sobald die Rede auf dieses Thema kam. »Er muss ein oder zwei ausgewählte Sportarten betreiben, an moderner Kunst interessiert sein und ohne Haustiere und lästige Vergangenheit sein.« Und ehe ich etwas erwidern konnte, pflegte sie hinzuzufügen: »Ich verlange ja nichts, was ich nicht selber auch zu bieten hätte.«
Immerhin, sie war eine echte Rothaarige mit langen Beinen, einem wundervollen, zarten Teint, um den ich sie von jeher glühend beneidete, und einem Jahresabonnement für die städtischen Museen.
»Wenn du dich verliebst, sind all deine Prinzipien hinfällig«, prophezeite ich ihr immer wieder, weil ich das Gefühl hatte, eine Erklärung dafür liefern zu müssen, nicht ebensolche Ansprüche an Männer im Allgemeinen und Besonderen zu stellen.
Bille aber blieb ihren Vorsätzen treu. Da ihr kein intelligenter, studierter, erfolgreicher,
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