Maenner und andere Katastrophen - Roman
solche Sehnsucht nach dir«? »Nichts, warum?«, fragte ich zurück. »Warum rufst du dann an?«
»Was machst du gerade?«
»Ich telefoniere.«
»Allein?«
»Nein, mit dir.«
»Gut, dann will ich dich nicht länger dabei stören.« Verstimmt legte ich den Hörer auf.
Holger und ich waren schon so lange zusammen, dass ich manchmal völlig vergaß, warum ich mich mal in ihn verliebt hatte.
Er studierte seit Urzeiten an der Sporthochschule, und es war - wie bei mir - noch kein Ende abzusehen. Das war auch schon unsere einzige Gemeinsamkeit.
Ich hasste das Studieren, er liebte es.
Ich war tagsüber wach, er ausschließlich nachts.
Ich war der Meinung, dass es zu einer guten Allgemeinbildung gehört zu wissen, wie man »Proviant« schreibt, er ignorierte die Gesetze der Rechtschreibung und Zeichensetzung völlig.
Ich konnte mit Messer und Gabel essen, er hielt das für überflüssig.
Ich mochte ein gemütliches, ausgedehntes Frühstück am Sonntagmorgen, er schaufelte sich sein Energiemüsli innerhalb von zwanzig Sekunden und unabhängig vom Wochentag in den Magen.
Ich glaubte fest, dass man am vierzehnten Tag des weiblichen Zyklus schwanger werden kann, er hielt das für völlig ausgeschlossen.
Ich mochte Filme wie »Harry und Sally«, er fand sie blöd, besonders Sally.
Ich war der Meinung, dass ich wichtiger war als Basketball, Wasserball oder Volleyball, für ihn rangierte ich aber noch weit hinter Tischtennis und nur ganz knapp vor Dressurreiten.
Ich glaubte, dass es Menschen geben kann, die auch in einer Ehe glücklich werden, er hielt das für eine unbewiesene Behauptung.
Ich fand es nicht richtig von ihm, allein mit einer anderen Frau in Skiurlaub zu fahren, er fand mich intolerant und kleinlich.
Ich glaubte, dass es hässlichere Mädchen gab als mich, er tat nichts, um mich in diesem Glauben zu bestärken.
Das alles ging mir wieder mal durch den Kopf, nachdem ich aufgelegt hatte. Als er nach einer halben Stunde nicht wieder zurückgerufen hatte, wählte ich noch mal seine Nummer. Diesmal war er etwas freundlicher, bis ich ihn fragte, warum er vorhin nicht wieder angerufen habe.
»Wieso sollte ich wieder anrufen, nachdem du den Hörer aufgelegt hast?«, fragte er aggressiv.
Ich fragte ihn, warum er so aggressiv sei.
Er sagte, dass er am frühen Morgen ungern wegen völlig belangloser Dinge geweckt würde.
Ich sagte, es sei elf Uhr und nur in New York früher Morgen.
Er sagte, ich sei eine hysterische Person und gehöre in eine geschlossene Anstalt.
Ich fragte ihn, wie er hysterisch buchstabieren würde.
Darauf schwieg er eine Weile. Dann fragte er mich, ob ich am Abend mit auf die Party seiner Basketballmannschaft kommen würde.
Ich sagte ja.
Nach dem Telefonat stand ich auf und schaute mich im Spiegel an. Es gab Tage, an denen ich mich unübertroffen schön fand, trotz des ein oder anderen Makels. Aber an Tagen wie heute konnte es keine Hässlichere geben. Ich fand mich pickelig, konturenlos und ohne jeglichen Reiz. Es war zum Heulen.
Auf der Suche nach etwas Essbarem wanderte ich in der Wohnung auf und ab. Dabei geriet mir das Hexenbuch vom Pfälzer Flohmarkt in die Hand, und ich schlug das Kapitel über Talismane für die Schönheit auf. Gegen unreine Haut und Pickel, stand da, helfe die Koralle, um den Hals getragen.
Ich fand, dass man es wenigstens versuchen konnte und suchte in den Tiefen meiner Kommode nach einer Korallenkette, die meine Eltern mir vor Jahren aus einem fernen Land der Riffe mitgebracht hatten. Sie war abscheulich hässlich und daher ungetragen. Ein Handgriff in die Schublade genügte, und schon bohrte sich ein Korallenstachel in mein Fleisch. Das Ding war noch scheußlicher, als ich es in Erinnerung hatte, tomatensuppenrot mit riesigen Korallenzähnen vom Halsansatz bis auf die Brust.
Ich war zufrieden. Bei so viel Koralle waren die Pickel unter Garantie schon morgen verschwunden. Ich legte mir das stachelige Ungetüm hoffnungsfroh um den Hals und mich selber mit meiner Wärmflasche zurück ins Bett. Ich wachte erst wieder auf, als die Bauchschmerzen weg waren, zog mich an und holte mir eine Familienpackung Zitronensorbet aus dem Supermarkt, gerade noch rechtzeitig vor Ladenschluss.
Als ich mich mit dem letzten Drittel abquälte, rief Katja an.
»Du klingst gar nicht gut«, sagte sie.
»Ich habe das Gesicht voll Pickel, einen Freund, der mich nicht liebt, ein Studium, das mir keinen Spaß macht, und außerdem hab ich gerade fünftausend Kalorien auf einmal
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