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Maenner und andere Katastrophen - Roman

Maenner und andere Katastrophen - Roman

Titel: Maenner und andere Katastrophen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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dementsprechend eine Viertelstunde später vor der Tür.
    »Das klappt ja wunderbar«, sagte er zufrieden und rieb sich die Hände.
    Obwohl ich immer noch wütend war, wagte ich mich noch nicht zurück ins Bett. Menschen, die nachts um vier ein Auto erwerben möchten, erscheinen mir ausgesprochen verdächtig, zumal dann, wenn sie im Dunkeln Sonnenbrillen tragen.
    Mo kehrte jedoch wider Erwarten wohlbehalten und gutgelaunt von der Probefahrt zurück. Ich war der festen Überzeugung, dass sein Wagen in nächster Zukunft als Fluchtauto missbraucht werden würde, aber er schlug meine diesbezüglichen Warnungen in den Wind. Nach drei Minuten war die Verhandlung abgeschlossen, und die Gangster fuhren reifenquietschend davon.
    »Dieses Auto wird noch Schlagzeilen machen«, prophezeite ich düster, aber Mo zählte die Hundertmarkscheine in seiner Hand und lächelte verklärt.
    »Kannst wieder schlafen gehen«, sagte er und schenkte mir einen Hunderter als Schmerzensgeld.
    »Schweigegeld, meinst du wohl«, sagte ich einigermaßen erfreut und legte mich wieder ins Bett.
    Um acht rief der nächste Interessent an.
    »Entschuldigen Sie bitte vielmals, dass ich schon so früh störe«, sagte er zaghaft. »Aber ich rufe wegen der Anzeige an.«
    Ich sagte, dass ich seine Entschuldigung akzeptiere und zog die Telefonschnur aus der Wand. Es gibt doch noch höfliche Menschen. Der Arme konnte ja wirklich nicht wissen, dass ich zum zweiten Mal aus meiner Tiefschlafphase geschreckt wurde.
    Erst der Hunger weckte mich am Nachmittag. Ausgeschlafen machte ich mich auf den Weg zu meinem Rendezvous mit Kai-Uwe Friedmann im Volksgarten. Er wusste es noch nicht, aber ich hatte ihn dazu ausersehen, mich über Holger hinwegzutrösten. Ich war sehr gespannt.
    Kai-Uwe wartete bereits. Trotz des warmen Wetters trug er eines dieser Popelinemäntelchen, wie sie Exhibitionisten gern tragen, mit einem Gürtel um die Taille. Außerdem sprach er so laut, dass sich alle Leute nach uns umdrehten.
    »Meine Güte, hast du dich verändert, Judith«, röhrte er, nachdem er mir zur Begrüßung förmlich die Hand geschüttelt hatte.
    Er selbst hatte sich kein bisschen verändert. Er sah immer noch aus wie vor neun Jahren. Ich lächelte ihn trotzdem an. Kai-Uwe lächelte zurück.
    »Du bist ja eine rrichtige junge Dame geworden«, sagte er und nahm meinen Arm, um mich in den Biergarten zu geleiten. »Ich kann es gar nicht erwarten zu hören, wie es dirrrr in der Zwischenzeit ergangen ist.«
    Nicht nur, was er sagte, war irgendwie seltsam, auch wie er es sagte, jede Silbe klar und deutlich akzentuiert mit eigenartig rollenden 'R's, begleitet von dramatischen Armbewegungen. Die Gesangsstunden waren offensichtlich nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Ich war nicht mehr so sicher, ob er der Richtige war, um mich über Holger hinwegzutrösten.
    Bei Berliner Weiße für mich und alkoholfreiem Pils für ihn setzte Kai-Uwe mich ausgiebig über die Tücken und Wonnen im Leben eines angehenden Heldentenors in Kenntnis, und ich schaffte es meinerseits, die Misserfolgsbilanz der vergangenen Jahre als aufregenden Lebensabschnitt zu tarnen. Kai-Uwe war sichtlich beeindruckt.
    »Ich habe immer schon gewusst, dass aus dirrrr etwas ganz Besonderrrres wird«, sagte er und winkte die Kellnerin heran. »Aber so hübsch warst du ja schon immer.«
    Was machte es bei solchen Worten schon, dass er die Rs rollte und dabei so laut sprach, dass auch der letzte Winkel der Terrasse beschallt wurde. Ich lächelte beglückt. Kai-Uwe lächelte zurück. Wir lächelten überhaupt viel.
    »Was fürrr ein wunderrrrschönerrrr Tag«, sagte Kai-Uwe schließlich. »Wie geschaffen dafürrrrr, mit einer schönen Frau im Arrrrm unterrrr blühenden Linden zu flanierrrren.«
    Die Leute am Nebentisch lächelten auch. Ich konnte zwar keinen Bekannten unter ihnen ausmachen, aber ich informierte Kai-Uwe trotzdem darüber, dass ich auch gern unter den blühenden Linden flanieren würde, schon, um den belustigten Blicken zu entgehen.
    Bevor ich aufstehen konnte, war er an meine Seite geeilt und zog mir höflich den Stuhl unter dem Hintern weg. Hätte ich eine Jacke angehabt, hätte er mir sicher hineingeholfen. Ich beschloss, es nett zu finden, mit jemanden auszugehen, der das hatte, was meine Oma »Manieren« genannt hätte, und lächelte ihn dankbar an.
    Er knotete den Gürtel des Exibitionistenmäntelchens sorgfältig vor seinem Bauch und nahm meinen Arm. Eingehakt wie zwei Sieche in einem

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