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Maenner und andere Katastrophen - Roman

Maenner und andere Katastrophen - Roman

Titel: Maenner und andere Katastrophen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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Getränke umgestiegen werden musste. Es wurde trotzdem ein lustiger Abend.
    Nach dem Essen spielten einige in einer Ecke das Lexikon-Spiel. Ich weiß nicht, wer es erfunden hat, aber es ist mein absolutes Lieblingsspiel.
    Jeder bekommt Papier und Stift, und einer sucht im Großen Brockhaus nach einem Begriff, von dem er hofft, dass er möglichst niemandem bekannt ist. Dann versuchen alle, für dieses Wort eine lexikontypische Definition zu finden, während der mit dem Brockhaus die richtige Version ebenfalls auf einen Zettel schreibt. Er sammelt nun alle Definitionen ein und liest sie in selbst gewählter Reihenfolge vor, ohne dass die anderen erkennen können, welches die richtige Version ist, die sie erraten müssen.
    Ich durfte anfangen, suchte den Begriff WANNENMACHER aus, schrieb die Brockhauserklärung ab und sammelte eifrig die Zettel der anderen auf meinem Schoß. Man musste sie vorher gründlich studieren, damit man beim Vorlesen nicht stotterte oder sagte: »Also, die Sauklaue hier kann ich wirklich nicht entziffern.« Besonders schwierig war es, nicht laut loszulachen.
    »WANNENMACHER (mask.), veralteter Begriff für Berufe in der Sanitärbedarfsindustrie«, versuchte ich mit neutraler Nachrichtensprecherstimme zu lesen.
    Alle in der Runde brachen in brüllenden Gelächter aus, das heißt, alle außer Katjas Freund Jens.
    »Ich weiß gar nicht, worüber ihr lacht«, ereiferte er sich, »das ist garantiert die richtige Version.«
    Jetzt wussten natürlich alle, dass diese Definition von Jens stammte, und sie lachten noch mehr. Jens war beleidigt.
    »WANNENMACHER, Gemeinde in Westfalen, Kreis Lippe, 4500 Einwohner, gotische Kirche mit bekanntem Marienaltar«, fuhr ich fort, »WANNENMACHER (lat. bagnus nestus aquarius) Galapagosfinkenart. Wannenartiger Nestbau in den Brandungsfelsen, Gelege grau-weiß gesprenkelt.«
    Nachdenkliche Gesichter in der Runde. Hörte man das nicht öfter im Verkehrsfunk: »Auf der Al kommt Ihnen zwischen Wanne-Eickel und Wannen-Macher ein Fahrzeug entgegen. Bitte fahren Sie äußerst rechts und überholen Sie nicht. Wir melden uns wieder, wenn die Gefahr vorüber ist ...«?
    »WANNENMACHER, Eugen Viktor, Zahnarzt, geb. in Aufen 1924, Grundlagenwerke in der Parodontoseforschung«, las ich. Erleichtertes brüllendes Gelächter in der Spielrunde. Jens lachte am lautesten.
    »WANNENMACHER, Stellmacher, mittelalterliche Berufsbezeichnung für die Hersteller von Holzfässern und -zubern«, fuhr ich fort, »und WANNENMACHER, Ottokar, 1320-1367, berühmter Kaufmann und Reeder der Hansestadt Bremen, versuchte als Erster mit seinem Handelsschiff einen Seeweg nach Indien zu entdecken.«
    Erneutes Gelächter.
    Dann musste sich jeder entscheiden, welche Definition er für die echte hielt. Alle, die kein Latein in der Schule gehabt hatten, entschieden sich für die Galapagosfinkenart mit wannenartigem Nestbau in den Brandungsfelsen, - bagnus nestus aquarius, hahaha!
    Oliver, der nette Aufbauspieler, tippte auf die Gemeinde im Kreis Lippe, und Jens wählte den veralteten Begriff für Berufsbezeichnungen in der Sanitärbedarfsindustrie, obwohl alle wussten, dass es sich dabei um seinen eigenen Beitrag handelte.
    Katja, von der die Galapagosfinken stammten, und der Typ, der sich die Gemeinde mit viertausendfünfhundert Einwohnern ausgedacht hatte, lachten sich halb schlapp, weil die anderen auf sie hereingefallen waren. Aber wer hätte auch ahnen können, dass WANNENMACHER tatsächlich Eugen Viktor mit Vornamen hieß und Wesentliches zur Grundlagenforschung der Parodontose beigetragen hatte?
    WEIBERKRIEG hieß der Begriff, den Oliver aussuchte und der Anlass zu einer Reihe von Spekulationen gab. Ich definierte WEIBERKRIEG als eine tückische Geschlechtskrankheit, lateinisch dehibitio copulatio major, welche ähnlich der Siphilis durch Geschlechtsverkehr übertragen wurde. Oliver lachte schon beim Vorlesen so sehr darüber, dass er beinahe vom Stuhl fiel. Klar, dass niemand mehr darauf hereinfiel.
    Nach dem Vorlesen mutmaßte ich, dass sich hinter dem Begriff eine auf den Antillen heimische Starenart verbarg, deren Weibchen sich während der Brutzeit dermaßen um die Nistplätze zu streiten pflegten, dass die Vogelart im Volksmund unter dem Namen WEIBERKRIEG geführt wurde. Dabei hätte ich mir eigentlich denken können, dass die Federviecher wieder nur Katjas Phantasie entsprungen waren.
    »Ich hätte Ornithologe werden sollen«, meinte sie und kassierte zwei weitere Punkte.
    Jens war sehr

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