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Maenner und andere Katastrophen - Roman

Maenner und andere Katastrophen - Roman

Titel: Maenner und andere Katastrophen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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verärgert, weil niemand seiner Version Beachtung geschenkt hatte, und das, obwohl er sich wieder selber gewählt hatte, um die anderen auf die falsche Fährte zu locken. Aber keiner konnte so recht glauben, dass WEIBERKRIEG für die Abkürzung der »Organisation Wissbegieriger Emigranten Im Beirat Einer Räte Kommission Rühriger Interessenten Einmaliger Gelegenheiten« stand.
    Die meisten waren überzeugt, dass WEIBERKRIEG der Sage nach eine Auseinandersetzung der Waschfrauen zu Linz am Rhein bezeichnete, deren Auslöser das Hemd des Burgfürsten Graf Umbart von Linz war, in dessen Brusttasche ein wertvoller Ring eingenäht war. Die Waschfrau, die das Hemd aus dem Rhein fischte und den Ring zurückgab, wurde am Ende Gräfin auf Burg Linz. Hahaha! Da war meine Geschlechtskrankheit doch wirklich besser gewesen. Wahr war aber, dass WEIBERKRIEG der volkstümliche Pflanzenname für Natterkopf und Hauhechel war.
    Bei diesem Spiel konnte man wirklich was lernen. Ich hätte es die ganze Nacht weiterspielen können, aber nach dem Weiberkrieg hatten die anderen leider schon keine Lust mehr. Vor allem Jens nicht.
    Oliver setzte sich neben mich.
    »Tut mir leid, dass ich lachen musste«, sagte er und kicherte wieder. »Aber das war zu komisch.«
    »Schon okay«, sagte ich großmütig.
    »Und wie gefällt dir Holgers Neue?«, fragte Oliver unvermittelt.
    Ich musste tief Luft holen. Holger hatte schon eine Neue, und das, obwohl ich noch nicht kalt war? Ja, genaugenommen noch nicht mal tot!!!
    »Wie sieht sie aus?«, konnte ich mir nicht verkneifen zu fragen.
    »Blonde Haare, so wie du eigentlich, hm, nur dünner«, sagte Oliver.
    Ich murmelte mit schwacher Stimme: »Dünner als ich?«
    »Dünnere Haare«, sagte Oliver.
    Ich war erleichtert. Das war ein Kompliment und überhaupt sehr nett zu hören. Obwohl Bille es hinterher ziemlich relativierte, als ich es ihr erzählte und sie lachend ausrief: »Mein Gott, wie muss die aussehen, wenn sie noch dünnere Haare hat als du?«
    Aber es brachte Oliver endgültig meine Sympathien ein, und als er vorschlug, dass wir uns doch mal treffen sollten, gab ich ihm bereitwillig meine Telefonnummer.
    »Ich ruf dich an«, versprach er, bevor er ging, und gab mir einen Kuss auf die Wange.
    Noch ein Mann, dem ich das Herz brechen würde, ach ja. Ich konnte sehr zufrieden sein mit diesem Tag.

Montag
    Die nette Frau Asche von der Zeitarbeitsfirma weckte mich zeitig, um mir telefonisch mitzuteilen, dass ich ab dem nächsten Tag bei einer Erwachsenenbildungsstätte in der Innenstadt als Schreibkraft und Telefonistin anzutreten hätte. »Morgen schon?« Mir wurde plötzlich ganz mulmig zumute.
    »Sie kennen sich doch mit Windows-Programmen aus?«, fragte die nette Frau Asche in so selbstverständlichem Tonfall, dass Angst in mir hochstieg. Ja, hatte sie denn ganz vergessen, wie dämlich ich mich in dem Vorstellungsgespräch angestellt hatte?
    Mit unüberhörbarer Panik in der Stimme sagte ich, dass ich mich keineswegs mit Windows-Programmen auskennen würde. Ich wüsste ja nicht mal, was Windows-Programme seien.
    »Ach, das macht gar nichts«, meinte Frau Asche, »Sie werden sich im Nu eingearbeitet haben.«
    Ich schluckte schwer. Frau Asche gab mir die Adresse der Erwachsenenbildungsstätte und die Anweisung, mich um halb neun bei einer Frau Mehlig zu melden.
    »In Ordnung«, sagte ich mit zittriger Stimme. Worauf hatte ich mich da nur eingelassen?
    »Wenn es Schwierigkeiten gibt, können Sie jederzeit anrufen«, sagte die nette Frau Asche munter. »Ansonsten wünsche ich Ihnen viel Erfolg.«
    Der Tag hatte nicht gut begonnen. Irgendwie ging mir plötzlich alles etwas zu schnell.
    Die Tatsache, dass heute mein letzter freier Tag war, trieb mich zeitig aus dem Bett und an den Werktisch mit Kindergartenmodelliermasse, den ich in der Blaubartkammer aufgebaut hatte. Mittlerweile war ich ein wenig geübter geworden. Die ersten massiven Klumpen waren nach dem Trocknen immer viel zu schwer gewesen. Daher bekamen die Köpfe nun einen dicken Kern aus zusammengeknüllter Alufolie, um den die Modelliermasse lappenweise und Schicht für Schicht gelegt wurde. Nachdem ich einmal herausgefunden hatte, dass die Augen erst ungefähr in der Mitte des Gesichtes zu platzieren waren und der Kopf weniger affenähnlich aussah, wenn man ein paar Extrawülste für die Stirn einplante, gelangen mir ganz wunderbare Gesichter. An diesem Morgen entstand der wilde Räuber Hotzenplotz unter meinen Händen. Eigentlich hatte ich

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