Maenner und andere Katastrophen - Roman
damit von oben bis unten an der Duschkabine lang. Die Ränder kannst du mit dem Tüchle nachwischen. Für die Armaturen nimmst du das da. Mit dem immer kreisförmig wischen.«
Ich hatte schon begonnen, meine Hose aufzuknöpfen, hielt nun aber verunsichert inne und musterte die Putzlumpen mit gemischten Gefühlen. Susanna schien es nicht zu merken. Neben die drei Lappen stellte sie drei verschiedene Flaschen Putzmittel.
»Also«, begann sie, »das ist speziell für die Kalkflecken an den Kacheln, das für die Kalkflecken an den Armaturen. Und das kannst ...«
»Warum?«, unterbrach ich sie heftig.
Warum, Susanna? Warum musste es ausgerechnet Bruno sein?
»Damit's so sauber bleibt, wie s jetzt ist«, antwortete Susanna ernsthaft.
Ich seufzte.
»Wenn du mal dein eigenes Bad hast, wirst du's genauso machen, wirst schon sehen«, prophezeite Susanna und demonstrierte mir die Öffnung des kindergesicherten Drehdruckhebelknickverschlusses von Putzmittelflasche Nummer drei, deren Inhalt für die fleckenlose Reinigung der Plexiglasduschkabinenwände verantwortlich war.
»Das Schöne ist«, sagte sie, »man muss wirklich nicht mehr nachwischen.«
Der eigenartig verklärte Ausdruck, den ihr Gesicht bei diesen Worten annahm, alarmierte mich aufs Höchste.
»Bist du glücklich, Susanna?«, fragte ich mit trauriger Stimme.
»Mir geht's viel besser als früher«, antwortete Susanne, »und als dir.«
Ich schüttelte verzweifelt den Kopf. Ach, Susanna.
»Ehrlich, Judith«, sagte sie ernst, »ich wünsch dir auch so einen Mann wie Bruno.«
Ich zuckte zusammen. So weit war es also zwischen uns schon gekommen! Susanna wünschte mir die Pest an den Hals!
»Weißt du was, ich dusche besser zu Hause«, sagte ich kurz entschlossen und knöpfte meine Hose wieder zu. Das Gefühl, dass für Susanna jede Hilfe zu spät kam, wurde geradezu übermächtig.
Auf den Weg nach Mannheim zum Bahnhof machten wir uns ohne Bruno. Er wollte den Sonntagvormittag lieber dazu nutzen, den Rasen zu mähen. Sicher fanden ihn die Nachbarn genauso sympathisch wie ich.
»tschüss«, sagte er und zog zum Abschied noch einmal die Nase hoch.
»tschüss«, sagte ich und hatte das sichere Gefühl, ihn nie wieder sehen zu müssen.
»Dir hat der Bruno nicht so gut gefallen, nicht wahr«, sagte Susanna plötzlich nüchtern, als der Inter-City mit dem schönen Namen »Rheingold« einfuhr.
»Nein«, gab ich trübsinnig zu und raffte die Gepäckstücke mit meinen Flohmarktfunden zusammen.
»Wenn du ihn näher kennen würdest«, fuhr Susanna fort und folgte mit meinem Rucksack in ein leeres Abteil, »würdest du auch seine guten Seiten sehen.«
»Welche guten Seiten?«, fragte ich und umarmte sie traurig, als die Lautsprecher die Abfahrt ankündigten.
Susanna musste den Zug verlassen. Sie stellte sich vor das Abteilfenster und lächelte.
»Komm gut heim.«
»Welche guten Seiten?«, wiederholte ich.
Der Zug setzte sich in Bewegung. Susanna begann zu winken. Ich winkte zurück.
»Welche guten Seiten?«, schrie ich gegen den Fahrtwind an. Aber Susanna winkte stumm.
Während der Fahrt dachte ich über Männer und Frauen im Allgemeinen und über Bruno und Susanna im Besonderen nach. Zum ersten Mal seit langer Zeit hatte ich das Gefühl, mit Holger gar nicht so gestraft zu sein, wie ich mir immer einredete. Vielleicht, dachte ich erschrocken, vielleicht ist Holger noch der Besten einer, und ich muss am Ende froh sein, ihn zu haben. Was ist, wenn alles, was noch kommen sollte, nur schlechter sein würde? Ein trostloser Gedanke. Ich blätterte fahrig in dem Hexenbuch vom Flohmarkt.
Es gab darin Zaubermittel für beinahe jeden Zweck. Gegen Fußpilz zum Beispiel, gegen sexuelle Unlust, gegen Angst in Prüfungssituationen, sogar gegen Haarausfall. Ich würde Holger gleich morgen eine solche Tinktur zusammenmixen. Er lebte in ständiger Angst vor Glatzenbildung und zählte jedes einzelne Haar, das sich in seinem Kamm verfing. Interessiert studierte ich das Rezept. Man brauchte Kampfer, Birkensaft, Marillenschnaps und Spinnenbeine ... nein, Holger würde wohl doch darauf verzichten müssen. Außerdem konnte es ihm nicht schaden, mit jedem Haar in seinem Kamm an die Vergänglichkeit des Lebens erinnert zu werden.
Kein Mensch war daheim, als ich ankam, und deshalb fuhr ich, nachdem ich meine neu erworbenen Besitztümer abgestellt hatte, mit dem Fahrrad gleich weiter zu Holger. Er war auch nicht zu Hause, aber ich hatte seine Wohnungsschlüssel und beschloss, in
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