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Maenner und andere Katastrophen - Roman

Maenner und andere Katastrophen - Roman

Titel: Maenner und andere Katastrophen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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ich so viel Interesse an altem Plunder hatte. Sie ließen sich ächzend an einer der vielen Biergartentische nieder, um hier den Rest des Tages zu verbringen. Ich setzte mich dazu, als ich den ganzen Flohmarkt abgeklappert hatte und um ein Dutzend Altertümchen reicher und um nur vierzehn Mark ärmer war.
    Bruno und Susanna zeigten sich völlig unbeeindruckt von dem Leinentuch, auf das eine Hausfrau längst vergangener Zeiten in feinstem Kreuzstich »Ist der Gugelhupf gelungen, wird der Hausfrau Lob gesungen« gestickt hatte, und sie konnten auch meine Begeisterung für ein spitzenbesetztes, tadellos erhaltenes Bettjäckchen nicht teilen.
    »Ich hab Hunger«, bekundete Bruno und zog die Nase hoch. Zuerst bestellte er Weißwürste und Weißbier, dann gab es Weißbier und Grumbeerekuchen. Letzteres entpuppte sich als Reibekuchen und hätte mir auch geschmeckt, wenn die Hasensuppe nicht immer noch so schwer in meinem Magen gelegen hätte.
    Bruno konnte nicht genug davon bekommen. Er kaute, schlürfte und zog die Nase hoch, bis die Sonne am Horizont unterging.
    »Von nichts kommt nichts«, sagte er zufrieden.
    Ich vermutete, dass er auf seinen Bauch anspielte, und nickte zustimmend.
    Als die Dämmerung anbrach, setzte sich ein Mann mit einem karierten Hemd neben mich auf die Bank.
    »Schschleleschleschchle?«, fragte er mich freundlich.
    »Tut mir leid, ich bin der Landessprache nicht mächtig«, sagte ich höflich.
    »Das ist der Hebbet, unser Poschtier«, stellte Susanna vor. »Das ist die Judith, die kann kein Pfälzisch.«
    »Bischt allää do?«, fragte das karierte Hemd.
    »Hajo«, sagte ich.
    Die anderen lachten. Sogar Bruno verzog irgendwie das Gesicht. Ich sah genau hin, konnte aber nicht finden, dass er dadurch netter aussah.
    »So, die Judith«, sagte Herbert, der Postler, sichtlich um hochdeutsche Aussprache bemüht. »Wie spricht man denn, wo du herkommst?«
    »Wie Willi Millowitsch«, erklärte ich.
    »Pfui, Deibel, des isch ja e fürchtäliche Dialekt«, waren sich die anderen einig. »Des kennt ich net jede Tach hern, wecklich net.«
    Aber ich, Willi, ich schon! Wenn du wüsstest, wie gern ich gerade jetzt deine Stimme gehört hätte.
    Bruno bestellte noch mehr Grumbeerekuche und Weizenbier. Jetzt schien es hier erst richtig loszugehen. Dabei wurde es langsam ungemütlich kalt und klamm. Ich nieste.
    »Wir essen nur noch was und trinken eine Runde mit«, sagte Susanna zu mir, »dann gehn wir auch heim.«
    Bruno rülpste lauthals, als er den letzten Reibekuchen mit einem Bier heruntergespült hatte.
    »Hauptsache, die Vorderzähne halten's aus«, sagte ich mechanisch. So hatte mein Vater immer die Rülpser unserer Kindertage gerügt. Der Postler lachte sich schlapp.
    »Schkrrrleschlekrrrschle«, sagte er anerkennend zu mir.
    »Meinst du?«, fragte ich und versuchte durch erneutes Niesen Susannas Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen.
    »Wenn du heim willst, sag's halt«, sagte Susanna.
    Ich sagte es halt, aber da stimmten Bruno und Herbert ein fröhliches Lied an: »Liewer Gott im Himmel drin, loss uns Pälzer wie mer sinn, un erhalt uns alle Zeit unser Pälzer Fröhlichkeit!«
    »Lieber Gott im Himmel drin, lass mich bloß nicht, wo ich bin«, sang ich, wenn auch nur ganz leise.

Sonntag
    Über Nacht hatte mich eine Sehnsucht nach Holger gepackt wie schon sehr lange nicht mehr. Ich war fest entschlossen, Brunos Eigenheim bereits am Vormittag zu verlassen und so schnell wie möglich nach Hause zu fahren.
    Als ich um kurz vor neun leise die Kellertreppe hinaufstieg, kam Susanna mir entgegen.
    »Du hast aber lang geschlafen«, sagte sie. »Der Bruno und ich, wir haben schon vor einer Stunde gefrühstückt.«
    Ich folgte ihr in die Küche.
    »Ich hab schon alles wegräumt und sauber gemacht«, sagte sie und wies mit der Hand auf die makellose Reinheit ringsum, »aber wenn du noch etwas willst, sag's halt.«
    Ich sagte es lieber nicht. Stattdessen deutete ich an, dass ich gern schon einen früheren Zug nehmen wollte, wenn's denn ginge.
    Susanna freute sich wider Erwarten über alle Maßen.
    »Ja, wir haben schon gedacht, wir müssten die Lindenstraße auf Video aufnehmen, weil's doch genau in der Zeit kommt«, sagte sie. »Wann sollen wir dich zum Bahnhof fahren?«
    Ich seufzte und sagte, ich müsse nur noch duschen und meine Sachen packen. Susanna folgte mir ins Bad und legte mir ein Handtuch und drei verschiedene Putzlappen heraus.
    »Pass auf«, sagte sie, »wenn du fertig bist, nimmst du den Lappen und fährst

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