Männer und der ganz normale Wahnsinn
mitgenommen hätten) und sage mir selbst, wie sehr ich diese dumme kleine Wohnung liebe, mit der Barbiepuppen-Küche und den hohen Decken und den zwei großen Fenstern, die östlich über die Second Avenue direkt in das gegenüberliegende Apartment blicken. Vor fünf Jahren habe ich es von einer Kostümdesignerin namens Annie Murphy für sechs Monate untergemietet, weil sie für einen Film nach L.A. musste. Doch danach wurde sie dort immer wieder engagiert und kam nie zurück. Über die Jahre hinweg räumte ihre Schwester nach und nach die Möbel raus – mit der Erlaubnis von Annie – und ich habe neue gekauft. Jetzt gehörte die Wohnung ganz und gar mir, in jeder Beziehung, vom Mietvertrag einmal abgesehen.
Aber ich wäre auch in einem Vorort glücklich geworden. Ich wollte mir einen Hund kaufen. Einen großen Hund. Einen, der so richtig sabbert.
Ach Mensch.
Während ich über all das nachdenke und auf einem halben Keks rumkaue, öffne ich eine der Taschen, die ich für unsere Flitterwochen gepackt habe und in denen die einzigen Klamotten sind, die ich noch hier habe. Alle möglichen zarten, glänzenden, leichten Teile – ein paar neue, ein paar Lieblingsstücke – blinzeln mir entgegen, als ich sie öffne. Bei der Arbeit trage ich einfache neutrale Outfits: schwarz, beige, grau, cremeweiß. Farben, die meine Kunden nicht ablenken – sie sollen meine Designs sehen, nicht die Designerin. In meiner Freizeit dann werde ich richtig wild. Salsa-Farben. Gewagte Drucke. Kleider, die mich glücklich machen.
Ich lecke die Krümel von den Lippen und rede mir ein, dass ich kein weiteres Plätzchen mehr brauche, vor allem nicht zusätzlich zu dem Häagen-Dasz-Eisriegel, und schlüpfe in einen brandneuen knallroten Slip mit passendem BH, der weit mehr hermacht als die Realität, einen pinkfarbenen kurzen Rock und ein türkisfarbenes Seidentop. Ich habe vielleicht recht armselige Brüste, aber meine Beine sind toll, wenn ich das so sagen darf, vor allem in diesen goldfarbenen, hochhackigen Leder-Acryl-Sandaletten, mit denen ich fast einsachtzig groß bin. Auf meiner Rangliste rangieren Schuhe gleich hinter Essen und Sex. Obwohl an solchen Tagen wie heute der Sex an die dritte Stelle verbannt wird. Ich drehe mich um und starre bewundernd meine Füße an. Gott, das sieht so sexy aus.
Noch zwei Kämme, um mein Haar zurückzustecken, ein Spritzer Parfüm und einen Hauch Lipgloss …
Ich betrachte mein Spiegelbild und denke: Mein Gott, Greg. Sieh dir an, was du verpasst.
Dann klingelt es.
Und ich denke nur noch: Mein Gott.
3. KAPITEL
D er Kachelboden des Badezimmers meiner ersten Wohnung Downtown auf der Ersten Avenue war so mit Dreck verkrustet, dass normale Putzmittel machtlos dagegen waren. Deswegen begab ich mich eines Tages in einen kleinen Laden um die Ecke, wo ich dem alten, untersetzten Mann hinter der Theke mein Problem erklärte. Er betrachtete mich hinter verdreckten Brillengläsern hervor einen Moment lang aufmerksam, nickte und verschwand dann in den Innereien des unglaublich voll gestopften Ladens. Kurz darauf kam er mit einem Becher zurück, den er ehrfürchtig vor mich auf die Theke stellte. Er sah mich beschwörend an, als ob wir kurz davor stünden, unseren ersten Drogenhandel miteinander abzuschließen.
„Das hier frisst sich durch alles durch, garantiert“, sagte er.
SALZSÄURE verkündete der Aufkleber in bedrohlichen schwarzen Buchstaben. Der Totenkopf mit den gekreuzten Knochen gab dazu ein ganz hübsches Bild ab.
„Sie müssen auf jeden Fall die Fenster offen lassen“, sagte er. „Tragen Sie zwei Paar Handschuhe übereinander, und versuchen Sie möglichst, keine Dämpfe einzuatmen, Sie wissen schon, das ist reines Gift und so.“
Unerschrocken trabte ich zurück in meine armselige Wohnung, zog mir entsprechende Klamotten an, öffnete das Fenster im Badezimmer mit einer Brechstange, die ich mir auch noch gleich gekauft hatte, und schüttete etwa einen Teelöffel voll Säure auf eine besonders schlimme Stelle in der Nähe der Badewanne. Das Zischen war so gewaltig, dass ich mich nicht gewundert hätte, wenn eine ganze Horde winziger Teufel aus dem Dampf aufgestiegen wäre. Einen Augenblick lang bekam ich Panik, ich war mir nicht sicher, ob die Säure sich damit begnügen würde, etwa einhundert Jahre alten Dreck aufzufressen, oder ob sie sich vielleicht danach über die Kacheln, die Zwischendecke und schließlich die Decke meines unter mir wohnenden Nachbarn hermachen würde. Nach ein paar
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