Männer und der ganz normale Wahnsinn
Jahren, als ich es verlassen habe. Stattdessen ist über die Hälfte mit Kisten und Kartons voll gestopft, mein Bett, die Kommode und der Tisch wurden in die Ecke gestellt wie unartige Kinder. All meine Poster, Puppen, die Bücher, die ich damals zu kindisch fand, um sie mitzunehmen, sind verschwunden. Oder zumindest nicht zu sehen. Wahrscheinlich liegen sie wie meine Klamotten in irgendeinem Schrank herum, verbannt, aber nicht vernichtet.
Ich durchwühle die Schublade nach Unterwäsche, Shorts, einem T-Shirt. Habe ich früher tatsächlich so kurze Shorts getragen? Was für ein Flittchen ich war. Zwanzig Minuten später stapfe ich frisch gebadet und angezogen in die Küche, wo Nonna wie immer von Töpfen und Nudelhölzern und anderen Küchenutensilien umgeben ist. Sie summt leise, während sie daran geht, ihre Mission, Menschen vor dem Verhungern zu retten, zu erfüllen. Gekleidet in einen dieser dunklen Säcke, die vermutlich irgendwo in einem schäbigen kleinen Laden auf der Delaney Street verkauft werden, strahlt sie bei meinem Anblick und öffnet die Arme. Ich lasse mich in ihre Umarmung sinken und muss mich hinunterbeugen, um ihr einen Kuss zu geben. Sie ist klein, aber kräftig wie ein Baumstumpf, und sie riecht immer leicht nach Zwiebeln und Knoblauch und Körperpuder.
„Setz dich, setz dich. Ich mache Frühstück. Geht’s dir heute besser?“
„Geringfügig. Was kochst du denn?“
„Vielleicht gefüllten Strudel. Wie klingt das?“
„Himmlisch.“ Sie lächelt mich wieder strahlend an, und mir geht es noch ein geringfügiges bisschen besser. Vielleicht sogar ganz passabel.
Ich lasse mich bekochen – Pfannkuchen, Würstchen, Rühreier, Kaffee –, und danach fühle ich mich in der Lage, mich der realen Welt zu stellen. Oder zumindest dem, was von meiner noch übrig ist. Ich schalte mein Handy ein, rufe jeden an, der mir einfällt und wissen sollte, wo ich mich aufhalte, auch beim Kaufhaus melde ich mich und sage, dass ich mir ein paar Tage frei nehmen muss. Elise Suderman, die Leiterin der Möbelabteilung, ist nicht besonders glücklich, doch das hilft ihr auch nicht. Ich meine, also bitte! Was könnten sie im schlimmsten Fall tun? Mich feuern? Da bekomme ich aber Angst!
Dann rufe ich den Partyservice an. Ich habe keine Ahnung, was ich denen sagen oder wie ich die überfälligen Rechnungen bezahlen soll, aber ich finde, es ist das Mindeste, dass ich gesprächsbereit bin.
„Aber wir haben doch am Montag einen Scheck bekommen, Honey“, sagt der Buchhalter mit der heiseren Stimme ein wenig überrascht.
Ich umklammere das Telefon. „Mr. Munson hat die Rechnung bezahlt?“
„Aber klar doch. Er hat sogar noch zehn Prozent draufgezahlt, wegen der Umstände, wie er sagte.“
Mein Kopf schwirrt. Als ich den Blumenhändler anrufe, höre ich die gleiche Geschichte. Das Hotel? Aber ja. Alles bezahlt.
Wow. Ich meine …
Okay, das sind doch mal gute Neuigkeiten, oder? Ein Problem weniger. Und trotzdem … ich weiß nicht. Irgendetwas ärgert mich, aber ich bin zu überrascht, um herauszufinden, was. Trotz Nonnas lautstarkem Protest spüle ich mein Frühstücksgeschirr ab. Und genau in dem Moment, in dem ich meine Hände an dem kitschigen Landhausstil-Handtuch abtrockne, wird mir klar, was das alles zu bedeuten hat.
Jetzt ist es endgültig vorbei.
Wie ich erfahren habe, waren alle Schecks bereits Tage vor dem Brand ausgestellt worden, was bedeutet, er hätte mit mir Kontakt aufnehmen können, wenn er gewollt hätte. Dass er das nicht getan hat, kann nur eines bedeuten, nämlich, dass er seine Meinung nicht geändert hatte. Und mir nicht einmal den Gefallen tun wird, mir von Angesicht zu Angesicht eine Erklärung zu geben.
Mit einem Mal wird mir klar, dass ich die letzten Wochen wie eine Frau auf dem Sterbebett gewartet und um ein Wunder gebetet habe, nicht willens, loszulassen, solange auch nur noch die geringste Hoffnung bestand. Nun, Honey, das war’s dann, die Leiche ist nun begraben, jetzt gibt es nichts mehr, woran ich mich festhalten könnte.
Meine Großmutter blickt stirnrunzelnd von ihrer Arbeit auf. „Geht es dir gut?“
„Ja. Ja, mir geht’s gut“, antworte ich, gehe zurück in mein Zimmer und nehme mir zum ersten Mal Zeit, diesen Ort, den ich die ersten Zweidrittel meines Lebens unfreiwillig „Zuhause“ nennen musste, richtig anzusehen.
Die Wohnung befindet sich in einem dieser großen alten Vorkriegs-Gebäude, wie es sie so oft nördlich der 96. Straße gibt. Die Räume sind
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