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Männer und der ganz normale Wahnsinn

Männer und der ganz normale Wahnsinn

Titel: Männer und der ganz normale Wahnsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Templeton
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die Jahre durchmachen musste?
    „Meine Güte, Nedra – was werden die Nachbarn sagen?“
    „Sie werden nichts davon erfahren – nicht wahr? –, es sei denn, jemand kann seinen Mund nicht halten.“
    „Der Hahn selbst wird sich verraten, verdammt noch mal!“
    Weil wahrscheinlich das grelle Licht seinen Biorhythmus extrem durcheinander gebracht hat, wählt Rocky exakt diesen Moment aus, um uns sein Krähen zu demonstrieren, indem er sich aufrichtet und die Flügel gegen den Käfig schlägt. Eine Feder fliegt heraus und schwebt auf den Teppich. Ich will gar nicht über die verschiedensten … Dinge nachdenken, die in dieser Feder vermutlich leben.
    „Nun sieh dir das an“, sagt Nedra. „Du bringst ihn ganz durcheinander.“
    „Ich bringe ihn durcheinander …?“
    „Und für jemanden, der gerade Sex gehabt hat, bist du ganz schön mies gelaunt.“
    Wenn mein Mund nicht sowieso schon offen gestanden hätte, dann wäre mir jetzt die Kinnlade bis auf die Brust heruntergefallen. Da ich eine miserable Lügnerin bin, würde es überhaupt nichts bringen, es abzustreiten, auch wenn nur der Herrgott weiß, woher sie es weiß. Durch eine Art mütterlichen Radar oder so was. Wie auch immer, das Beste, was ich tun kann, ist zurückzuschießen. „Oh ja, zumindest hatte eine von uns Sex“, und dann mache ich auf dem Absatz kehrt und stampfe in mein Zimmer.
    „Sei dir da mal nicht so sicher“, höre ich sie hinter mir sagen. Aber als ich mich so weit davon erholt habe, dass ich mich umdrehen kann, ist sie verschwunden.
    Der Hahn leider Gottes nicht.
    Wenn es eine Möglichkeit gegeben hätte, am nächsten Morgen die Küche zu meiden, dann hätte ich das getan, glauben Sie mir. Aber nach weniger als fünf Stunden Schlaf – verkürzt durch aufgeregtes Gekrähe – wäre ich ohne größere Koffein-Injektion unerträglich, wenn nicht sogar ausgesprochen gefährlich für die Allgemeinheit gewesen. Also stehe ich hier in der Küche – einigermaßen passabel aussehend in einer weißen ärmellosen Bluse und einem geraden schwarzen Rock mit Schlitz vorne – und versuche den Hahn, der an die Rückenlehne meines Stuhls gehängt wurde, zu ignorieren. Nonna plaudert in einer Sprache, von der ich vermute, dass es italienische Babysprache ist, mit dem Hahn, der an der Rückenlehne meines Stuhls hängt, während meine Mutter am Tisch neben dem Hahn sitzt, der an der Rückenlehne meines Stuhls hängt, und nonchalant eine Tasse Kaffee trinkt und die Times liest.
    Wahnsinn. Diese Frau glüht geradezu. Was ich vielleicht auch tun würde, wenn ich nicht so mies gelaunt wäre.
    Nein. Nein. Ich werde nicht über mich nachdenken. Über Nick. Über uns.
    Also denke ich über meine Mutter nach. Was mir, ehrlich gesagt, auch nicht viel Vergnügen bereitet. Um ganz ehrlich zu sein, finde ich die Vorstellung, dass meine Mutter noch sexuell aktiv ist, fast merkwürdiger als die Tatsache, dass ein Hahn an der Rückenlehne meines Stuhles hängt.
    Ich nehme mir ein Stück Toast, ignoriere Nonnas dringende Aufforderung, mich zu setzen (als ob ich dieses Viech an meinen Haaren picken lassen würde) und ein richtiges Frühstück zu mir zu nehmen, weil ich zu dünn sei. Ich studiere die fünfzigjährige Frau, die mir gegenübersitzt. Sie trägt ein formloses, ärmelloses, gemustertes Kleid, ihr Haar fällt ungebändigt auf die Schultern, ihre Augenbrauen sind angestrengt zusammengezogen, und ich denke, mein Gott, sie ist so schön. Es ist nicht so, dass mich die Vorstellung, dass sie Sex hat, anekelt, verstehen Sie mich nicht falsch. Ehrlich, ich finde, sie hätte sich schon vor Jahren wieder jemand suchen sollen. Es ist nur … sie hat es nicht getan. Nicht ein einziges Mal, seit Dad gestorben ist. Zumindest nicht, dass ich wüsste. Und natürlich will ein Teil von mir sie ausquetschen: Ist das was Längeres? Kenne ich den Mann? Ist es was Ernsthaftes?
    Ist sie wirklich so glücklich, wie sie aussieht?
    Ich werfe ihr durch den Federschwanz des Hahns noch einen unauffälligen Blick zu.
    Ich würde sagen, sie ist völlig weggetreten.
    Und das stört mich, weil …?
    Mein Handy klingelt. Ich sprinte den Flur entlang in mein Schlafzimmer, um festzustellen, dass Nonna bereits mein Bett gemacht hat. Wann bloß? Ich nehme das Telefon, bevor mir der Gedanke kommt: Oh Gott, was, wenn das Nick ist? Was soll ich dann sagen?
    Wie alt bin ich, dreizehn?
    „Hallo?“ frage ich vorsichtig und lenke mich selbst ab, indem ich versuche herauszufinden, wo zum Teufel

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