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Männer und der ganz normale Wahnsinn

Männer und der ganz normale Wahnsinn

Titel: Männer und der ganz normale Wahnsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Templeton
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Verschwendung eines wundervollen Croutons, aber das Maß heiligt die Mittel). Der Hahn kümmert sich um den Crouton, ich mich um den Hahn. Als ich den Korb ordentlich über ihn gestülpt habe, schreie ich nach dem Käfig.
    Als der Hahn endlich sicher in seinem Käfig verwahrt ins Zimmer meiner Mutter gebracht wird („Du hast ihn angeschleppt, dann kannst du ihn auch bei dir behalten“, sage ich, und sie hat keine Diskussion angefangen), lässt sich der arme Hund von Nonna und einem Stück Roastbeef hervorlocken.
    „Halt. Er soll nur sein eigenes Futter essen“, sage ich und deute auf die Tüte, die am Tischbein lehnt. Nonna betrachtet sie und gibt Geoff ein weiteres Stück Fleisch. Sosehr sie auch den Hahn gemocht hat, eindeutig hat Fell über Federn gesiegt, vor allem, weil das Tier mit dem Fell auch ein Hirn hat.
    „Warum so eine große Tüte? Das ist viel zu viel Futter für so einen kleinen Hund, nein?“
    „Frag nicht mich, frag Brice“, sage ich genervt. „Nun, du könntest Brice fragen, wenn er noch leben würde.“
    Als sie ihre Pflicht erledigt hat, sagt Nonna „Basta“ zu dem Hund, dreht sich dann um und starrt die Tüte an. „Offene Tüte, ist nicht gut. Da krabbeln Tiere rein. Besorg was mit einem Deckel.“
    Eine Dreiviertelstunde später marschieren Nedra und ich über den Broadway, es ist acht Uhr an einem lauen Sommerabend. Wir schleppen gemeinsam einen Miniatur-Plastikeimer mit Deckel. Ich habe keine Ahnung, warum sie mitgekommen ist, aber sie schaut mich immer so an, als ob sie etwas sagen wollte und nicht recht wisse, wie. Nachdem wir nicht dazu neigen, gemütliche und intime Mutter-Tochter-Gespräche zu führen, kann ich das gut verstehen. Aber ich werde es ihr nicht einfacher machen.
    Die Abenddämmerung hat den Himmel rot gefärbt, abgesehen von einem Band aus herrlich glänzendem Orange am Horizont, das durch die Bäume am Riverside Drive schimmert. Die Atmosphäre ist entspannt – zumindest für New Yorker Verhältnisse –, die Szene fast heiter. Die Gehsteige sind voll mit Menschen und Gelächter, Kinderwagen und den allgegenwärtigen quietschenden Trollys. Menschen schwärmen um die Stände mit frischem Obst und Gemüse herum und bringen die Luft mit einem Dutzend Sprachen zum Klingen; Hunde, die an Verkehrsschildern festgebunden sind, starren angestrengt zwischen Tausenden von vorbeilaufenden Beinen hindurch auf die Türen von Geschäften, ignorieren die Versuche von Passanten, ihre Aufmerksamkeit zu erregen, um dann aufgeregt zu tänzeln, wenn ihre Besitzer endlich zurückkommen.
    Morningside Heights hat sich, seit ich ein Kind war, ganz schön verändert, wie die meisten Ortsteile von Manhattan. Viele kleine Familienunternehmen, die jedem Bezirk seine besondere Note verliehen haben, mussten den Franchise-Unternehmen weichen, die nach und nach dafür sorgen, dass sich New York kaum noch von Houston oder Chicago unterscheidet. Doch in New York geht es ausschließlich um die Einstellung, denke ich, als wir zwei hispanischen Teenagern ausweichen, die so heftig kichern, dass sie kaum laufen können. Einstellung und Kraft und Überlebenswille. Und jede Gegend hat ihre Eigenart, etwas, das selbst von der großen Franchise-Invasion nicht zerstört werden kann.
    „Sieh mal“, sagt Nedra und versetzt mir einen Stoß, als wir am West Side Market vorbeikommen. „Es gibt frische Kirschen.“
    Wir schnappen uns Plastikkörbe, und jede stellt sich an einen der Tische, die vor dem Laden aufgebaut sind. Ich beginne, die besten Kirschen aus dem Kasten zu picken, so wie mindestens hundert andere Leute auch. Ich ertappe meine Mutter dabei, wie sie mich beobachtet, aber sie wendet den Blick schnell ab.
    Irgendwas knallt mir gegen den Kopf.
    Ich schaue über den Kasten zu meiner Mutter, die vollkommen konzentriert die Kirschen mustert. Ich denke, hmm und fahre fort, in den Kirschen zu stochern.
    Zwei Sekunden später, zack, eine Kirsche prallt gegen meine Schulter und fällt zurück in den Kasten. Ich werfe meiner Mutter einen Blick zu, die aufsieht und fragt: „Was denn?“
    Aber ihre Augen funkeln wie Diamanten.
    Ich warte auf die passende Gelegenheit und werfe dann eine Kirsche nach ihr. Doch leider stellt sich eine kleine alte spanische Frau in den Weg, und das Geschoss prallt von ihrer Stirn ab. Die arme Frau schaut sich um, verwirrt, und beginnt dann gestikulierend in rasend schnellem Spanisch auf ihre Begleitung einzureden.
    Meine Mutter und ich wagen es nicht, einander anzusehen.
    Wir

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