Maenner weinen nicht
Kilo zu, und einschlafen konnte ich nur noch, wenn ich eine Flasche Rotwein trank.« (Philippe R., 47 Jahre, Fernsehredakteur)
Einmal beim Arzt, klagen Männer statt über Angst, Traurigkeit und Selbstzweifel über körperliche Beschwerden: Sie haben Rückenschmerzen, Magendrücken oder weniger Lust auf Sex. Psychische Probleme und verwirrende Emotionen spricht der Mann von sich aus beim Arzt nur selten an. Kein Wunder also, dass der Hausarzt nach dem heute meist üblichen Eilgespräch zu einer ganz anderen Diagnose kommt. Behandelt wird der Magen, der rebelliert, oder das Herz, das unregelmäßig schlägt; die Alkoholsucht, die die Gefühle abtötet, oder eine »antisoziale Persönlichkeitsstörung«, bei der Männer eine niedrige Frustschwelle haben und vorschnell aggressiv und gewalttätig werden. Diagnosen also, die einmal mehr mit dem männlichen Rollenbild zusammenhängen.
Das Phänomen spiegelt sich auch in offiziellen Zahlen wider. Einer Studie der WHO zufolge gehen mehr als die Hälfte der Menschen mit Depressionen aufgrund körperlicher Beschwerden zum Arzt. Vordergründig bereiten ihnen Übelkeit, Kopfweh, Erschöpfung und Schmerzsyndrome Beschwerden – die zugrunde liegende Erkrankung ist jedoch eine Depression. Im besten Fall rät der versierte Mediziner zu weniger Stress, mehr Pausen und einem gesünderen Lebensstil. Im schlimmsten Fall bleibt das psychische Leid ungesehen, die Depression wird verschleppt – und die Verzweiflung nimmt weiter zu. Für Hausärzte ist es Tag für Tag eine neue Herausforderung, gefährdete Männer mit Depressionen herauszufischen – und ihnen ein Therapieangebot zu unterbreiten, das sie auch annehmen können.
Sie können Ihrem Arzt helfen, damit er die korrekte Diagnose stellt: Berichten Sie ihm wahrheitsgemäß von Ihren Gedanken und Gefühlen, erzählen Sie ihm von Ihren Ängsten und Nöten. Diese Informationen können Ihrem Arzt weiterhelfen:
… dass Sie reizbarer und aggressiver sind.
… dass Sie Ärger und andere negative Gefühle schlechter kontrollieren können.
… dass Sie sich besonders hoffnungslos fühlen.
… dass Sie sich von niemandem verstanden und als Opfer sehen.
… dass Sie dazu neigen, sich selbst nicht gutzutun, und sich in Alkohol oder Medikamente flüchten.
Die Kunst des Helfens
Auch die Angehörigen von Depressiven werden vor große Herausforderungen gestellt. Es ist nicht immer einfach, jemandem mit einer Depression Hilfe anzubieten. Manchmal ist es schwierig, das Richtige zu sagen oder zu tun. Hier ein paar Tipps:
Sprechen Sie mit Ihrem Partner über seine Gefühle.
Hören Sie zu, was er zu sagen hat. Manchmal geht es weniger um konkrete Ratschläge, als sich seine Sorgen und Nöte anzuhören. Machen Sie ihm klar, dass Sie ihm genau zuhören und dass er Ihre volle Aufmerksamkeit hat.
Halten Sie Augenkontakt und setzen Sie sich entspannt hin. Eine positive Körpersprache wird Ihnen beiden helfen, sich entspannter zu fühlen.
Verwenden Sie offene Fragen wie »Magst du mir erzählen …?«, sodass Ihr Gegenüber mit mehr als nur ja oder nein antworten muss. Offene Fragen können ein guter Gesprächseinstieg sein.
Droht das Gespräch holprig zu werden oder wird Ihr Gegenüber verärgert, bleiben Sie gelassen und fair. Geben Sie ruhig zu, wenn Sie sich geirrt haben, bleiben Sie authentisch.
Häufig hilft es schon, Zeit mit dem Partner zu verbringen und ihm damit zu zeigen, dass er Ihnen wichtig ist und dass Sie versuchen zu verstehen, was er gerade durchmacht.
Ermutigen Sie ihn, sich professionelle Hilfe zu holen.
Passen Sie auch auf sich selbst auf. Ihren depressiven Mann, Bruder oder Freund zu unterstützen, kann sehr anstrengend sein. Gehen Sie sicher, dass Sie sich genug Zeit für sich selbst nehmen.
Seien Sie sich darüber im Klaren, dass Sie nicht der Therapeut Ihres Mannes sind.
»Warum immer ich?« II
»Meine Familie und ich möchten dies der Öffentlichkeit mitteilen, um anderen Betroffenen eventuell den Mut zu geben, sich ebenfalls zu öffnen bzw. helfen zu lassen«, erklärt Biermann in einer Presseerklärung am 12. November 2009. »Zudem möchten wir uns selbst ein Lügen- und Versteckspiel nach meiner Genesung ersparen. Wir möchten offen damit umgehen, um dazu beizutragen, dass diese Erkrankung kein Tabuthema mehr ist.«
Biermann will »zu 100 Prozent offen sein«, um geheilt zu werden. In der Klinik schreibt er vom ersten Tag an Tagebuch, er will seine Genesung protokollieren. Auf der Depressionsstation regeln Vorschriften
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