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Maenner weinen nicht

Maenner weinen nicht

Titel: Maenner weinen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanz Loeffler
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mir gegenüber zwar noch relativ freundlich, verschloss sich aber innerlich und brach die Paartherapie dann bald ab. Das ist ein häufiges Problem: Die Einsicht in den eigenen Zustand bleibt verstellt.
    Glaubt man den Medien und Ihren Kollegen, dann wissen die Männer von heute nicht mehr recht, wohin mit sich. Sie suchen nach männlichen Eigenschaften, kommen in Identitätskrisen, werden depressiv. Erleben Sie das auch so?
    Ja, bei den Männern hat sich über die letzten Jahrzehnte eine Art Loch aufgetan: Die gewohnte männliche Identität trägt nicht mehr; Männer wenden sich vermehrt davon ab. Jäger, Cowboys und Ritter sind längst out. Aber nun fehlt den Männern eine klare neue Rolle. Weil sie nicht genau wissen, wohin mit sich, leben sie weiterhin sehr leistungsbezogen und suchen sich zu beweisen. Ohne zu wissen, wann und wo sie wirklich erfolgreich sind, mutieren sie zum unglücklichen »Alleskönner«.
    Dass moderne Männer alles können, suggeriert auch die Kampagne eines Partnersuchportals: Der Mann ist kulturell interessiert, redet leidenschaftlich gern über die Beziehung, schafft die Kohle ran, ist ein toller Liebhaber und kann auch noch gut kochen. Treiben Frauen die Männer mit ihren Ansprüchen in den Wahnsinn?
    Nein, das glaube ich nicht. Frauen müssen ja auch eine Unmenge von Erwartungen erfüllen. Die Geschlechter stehen beide unter dem Druck, überall das Beste aus sich zu machen. Männern fällt es aber immer noch schwerer, sich diese Überforderung überhaupt einzugestehen. Sie funktionieren noch mehr.
    Was hat es mit dem männlichen Körperkult auf sich? Beispiel Sebastian Deisler: Der Ex-Profifußballer outete sich als depressiv. Die Monate davor habe er sehr viel Krafttraining gemacht, schreibt er in seiner Autobiografie und fragte sich, was er mit diesen ganzen Muskeln gewollt habe. Verstecken sich Männer gern hinter ihrer körperlichen Stärke?
    Na ja, der Körper ist zur letzten Bastion unserer männlichen Selbstbestimmung geworden. Alles andere wirkt global, vernetzt und unkontrollierbar auf uns ein. Blättern Sie mal in den Männerzeitschriften, die sind voll mit Themen wie Bauch-weg-Übungen, Badehosen-Diät oder Hautpflege. Mit Muskeltraining den eigenen Körper zu formen, gibt Männern ein Gefühl von Selbstbestimmung und Stärke. Selbst wenn in meinem Inneren also die Hütte brennt, weil ich eigentlich überfordert und orientierungslos bin, erhalte ich mir dadurch noch immer die Illusion, Herr meiner selbst zu sein. Wir sind unsere eigenen Produkte, das ist Selfmarketing. Und es ist die Suche nach der äußerlichen Lösung: Es wäre zwar möglich, mich mit meiner Schwäche auseinanderzusetzen, aber leichter ist es, den Körper zu stählen. Da kann ich selbst was tun, ich habe ein Ziel, Erfolge.
    Warum fällt es Männern so schwer, Schwäche und seelischen Schmerz zu zeigen? Der sensible, reflektierte Mann ist doch mehr denn je gefragt.
    Ja, gefragt ist er schon. Aber wird er dazu auch erzogen? Mütter, das weiß man aus Untersuchungen, unterstützen schon bei Jungs im Babyalter eher ein starkes, männliches Verhalten. Oder schauen Sie sich die Männer an, die heute in ihrer Lebensmitte sind: Welche Rollenvorbilder hatten sie denn? Ihre Väter wurden in den 1940er, 1950er Jahren geboren. Nachkriegskinder, deren Eltern sie noch »abhärten« wollten. Das »Junge, stell dich nicht so an, sei keine Memme« ist noch lange nicht überwunden. Die Wünsche und Ansprüche, die wir an den Mann von heute haben, müssen sich erst festigen. Es wird noch Generationen dauern, bis Männer tatsächlich andere Werte verinnerlicht haben. So lange schämen sie sich für Schwächen und halten unbewusst am Ideal der Furchtlosigkeit fest, beides Verhaltensweisen, die zur männlichen Depression beitragen.
    Haben Männer so gar kein Bedürfnis, sich mit sich auseinanderzusetzen?
    Irgendwie schon, doch Männern fällt es schwerer, an ihren Gefühlen dranzubleiben. Sie merken zwar, mir geht es gerade nicht gut. Doch sie beschäftigen sich nicht weiter damit, reden nicht gleich mit einem Freund oder ihrer Partnerin darüber, wie das viele Frauen tun würden. Sie wollen wieder weg von den Gefühlen und gehen deshalb lieber joggen. Danach sieht die Welt schon wieder anders aus. Männern gelingt es besser, sich abzulenken. Sie wechseln schneller ihre inneren Zustände. Klassisches Beispiel: Ein Paar streitet sich im Bett. Er dreht sich um und fängt an zu schnorcheln, und sie liegt noch die halbe Nacht wach,

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