Maenner weinen nicht
weil sie sich nicht davon lösen kann.
Und wo kein Thema ist, da auch kein Therapiewille.
Sich einzugestehen, dass man Hilfe braucht, dass man Anforderungen nicht gewachsen ist, das kommt für viele Männer einem Scheitern gleich. Ich kann das alleine, das ist männlich. Hilfe anzunehmen, bedroht dagegen die männliche Autonomie. Deshalb fragt ja auch kein Mann nach dem Weg. Und deshalb gehen Männer immer noch seltener oder gar nicht zum Arzt.
Können Männer selbst herausfinden, wie es um ihre geistige Gesundheit steht?
Ein bisschen Selbstbeobachtung schadet nicht. Mal schlechte Laune zu haben, ist das eine. Doch nicht enden wollende Gereiztheit und Starrheit, Schlafstörungen, Unruhe, Grübeln und Selbstzweifel oder anhaltende Erschöpfungsgefühle sollten Männer ernst nehmen. Leider bemerkt man das nicht unbedingt an sich selbst, verdrängt es immer wieder. Wer kaum nahe soziale Kontakte hat, lebt möglicherweise über Jahre damit.
Wie läuft so eine Therapie bei Ihnen ab?
Der erste Schritt ist gemacht, wenn der Mann in der Praxis auftaucht. Wenn ich ihm helfen soll, muss er mir von seinen Problemen erzählen. Ich hatte mal einen Klienten, bei dem Anspruch und Wirklichkeit komplett auseinandergefallen waren. Seine Familie und Freunde glaubten, dass er studiere und sein Diplom schreibe. Tatsächlich arbeitete er in einem Buchladen. Über Jahre hat er ein Doppelleben geführt, musste immer auf der Hut sein, dass sich berufliche und private Kontakte nicht überschneiden. Irgendwann wurde der Druck zu groß, der Mann wurde depressiv und begann zu trinken. Das führte ihn zu mir. Oft ist das »Ich kann nicht mehr weiter« weniger deutlich ablesbar, aber genauso spürbar.
Wie ging es mit diesem Klienten weiter?
Wir haben gemeinsam geschaut, wie er wieder aktiv werden könnte. Wo er festhängt, was er vermeidet. Das lag in seinem Fall offen auf der Hand. Dann haben wir überlegt, wem er sein Doppelleben beichten könnte, wem gegenüber es ihm am leichtesten fallen würde. Als die Geschichte raus war, hat er nach und nach aufgearbeitet, wie es so weit kommen konnte. Letztlich ging es um einen Vater-Sohn-Konflikt, bei dem der Sohn vergeblich um die Anerkennung des Vaters gekämpft hatte.
Was raten Sie Männern, um gesund zu bleiben?
Wir brauchen realistische Ziele. Ansonsten besteht die Gefahr, dass wir uns unendlich anstrengen und ausbrennen. Wir leben in einer Gesellschaft der Optimierer. Beziehungen werden beendet, weil es nicht so läuft, wie wir uns das vorstellen. Macht ja nichts, in der Internetbörse finden wir eine Bessere. Das Gleiche gilt im Job: Es gibt immer noch ein Mehr – mehr Geld, mehr Macht, mehr Anerkennung. Unsere Ansprüche treiben uns wie Dämonen vor sich her. Denn sie machen uns Angst, weil wir scheitern könnten. Dabei gehen wir kaputt. Klar, man kann immer noch einen draufsetzen. Aber um welchen Preis? Ständig wird davon geredet, das Beste aus sich zu machen, noch mehr aus sich herauszuholen, alles zu geben. Das ist diese männlich geprägte Wettkampf- und Sportmentalität. Was aber bleibt von uns, wenn wir alles geben? Ich vertrete die Meinung, dass wir ein »Gut genug« brauchen. Eine Grenze, die uns entspricht. Ziele, die wir erreichen können, ohne perfekt, sensationell oder außergewöhnlich zu sein. Nicht mal gut, nur gut genug.
2 Nur erschöpft – oder wirklich krank?
Der Depressions-Selbsttest
Sie halten ein Buch über das Thema Männer und Depressionen in der Hand. Im ersten Kapitel erfuhren Sie, dass dieses psychische Leiden nicht – wie oft vermutet – eine reine Frauenkrankheit ist. Und Sie haben darüber gelesen, welche Beschwerden bei Männern typisch sind.
Haben Sie sich dabei vielleicht wiedererkannt? Kennen Sie es von sich selbst, schon bei Nichtigkeiten auszurasten, aggressiv oder ungeduldig zu reagieren? Oder sind Sie lustlos und fragen sich immer öfter, was Ihr Leben noch für einen Sinn hat?
Falls Sie sich unsicher sind, ob Sie einfach nur eine schlechte Phase haben, ein längeres Stimmungstief durchleben oder tatsächlich auf eine depressive Episode zusteuern, sind Sie auf diesen Seiten richtig. Der folgende Selbsttest soll Ihnen helfen, Ihr aktuelles Befinden besser einzuschätzen.
Gibt es heute mehr Menschen mit Depression als früher?
Depressionen sind – genau wie andere psychische Erkrankungen auch – heute in aller Munde. Oft verwirren jedoch die vielen Informationen und führen dazu, dass sich auch Menschen für krank halten, die es gar
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