Maennerfallen - Ein Mira-Valensky-Krimi
Nummer von dieser Seifried geschickt. Der Gipfel des Glücks. Die direkte Nummer der Verlagschefin. Mehr werde ich heute nicht zu erwarten haben. Ich wähle. Niemand geht ran. Wunderbar und tschüss. Da kann man eben nichts machen, Schicksal. Vielleicht habe ich doch mehr Glück als gedacht.
„Seifried?“
So viel dazu. „Mira Valensky. Ich stehe unter dem Plakat vor der Halle im Museumsquartier und komm nicht rein. Die Fans lassen mich nicht durch.“
„Tja, es werden täglich mehr. In Berlin hatten die Veranstalter einen Sicherheitsdienst. Aber das scheint man in Wien verabsäumt zu haben.“
„Also: Wie komme ich zu Thomas Pauer?“
„Ich schicke Ihnen eine Mitarbeiterin raus. Ich kann Ihnen leider nur mehr dreißig Minuten geben. Aber das ‚Magazin‘ ist uns natürlich wichtig.“
Klar, wir sind die größte Wochenzeitung in unserem kleinen Land. Daher wichtig, daher reichen aber auch dreißig Minuten. Mal schauen, ob sich Frau Verlagschefin freut, wenn sie unsere Story liest. Sie scheint gar nicht auf die Idee zu kommen, dass jemand auch kritisch über den deutschen Wundermann berichten könnte. – Oder ist ihr das egal? Motto: Hauptsache, er ist im Gespräch? Das jedenfalls scheint ihr bisher sehr gut gelungen zu sein. Ich gebe ihr meine genauen Koordinaten, lehne mich an die Wand der Eingangshalle. Vis-à-vis von mir ein riesiges Ankündigungsplakat. Thomas Pauer, blond, muskulös, mit blauen Augen und siegessicherem Grinsen und dahinter das Cover seines Mega-Bestsellers: „Sei ein MANN!“ Riesige hellrote Buchstaben auf blauem Grund. Immer noch kommen Menschen, höchstens ein Drittel davon sind übrigens Männer, und drängen Richtung Halleneingang.
Etwas abseits eine Gruppe Frauen, die Transparente hochhalten. Wahrscheinlich mit Texten wie: „Pauer, wir lieben dich!“, „Thomas, ich will einen Sohn von dir!“, „Mann, mach’s mir!“ Ich kneife die Augen zusammen, versuche die Buchstaben zu entziffern. Klar, ich brauche eine Brille, bräuchte ich schon seit fünfundzwanzig Jahren, aber wer muss schon alles total scharf sehen? Bessere Idee. Ich krame meinen Fotoapparat aus der Tasche, zoome hin: „Kampf dem Patriarchat!“, „Die Hälfte der Macht den Frauen, die Hälfte der Hausarbeit den Männern!“, „Pauer-Männchen verzieh dich!“
Sieh an. Nicht alle lieben den neuen Glücksbringer. Fünf der Frauen sind eher älter als ich, zwei dafür deutlich jünger. „Kampf dem Patriarchat!“ klingt ziemlich vorgestrig. Na ja. Vielleicht ist es bloß zeitlos. Ich drücke ein paarmal ab. Eine aus der Gruppe löst sich und kommt direkt auf mich zu. Hat sie gesehen, dass ich fotografiert habe? Ist das nicht erlaubt? Aber sie nimmt mich gar nicht wahr, eilt bloß Richtung Ausgang. Ich stelle mich ihr in den Weg.
„Mira Valensky vom ‚Magazin‘. Ich habe ein paar Fotos von Ihren Transparenten gemacht. – Ich würde in meiner Reportage auch gerne die Kritikerinnen von Thomas Pauer zu Wort kommen lassen. Was ist das für eine Gruppe?“
Die Frau sieht mich misstrauisch an. Sie ist zirka so groß wie ich, nicht dick, aber breitschultrig und massiv. Vielleicht trägt auch die dunkelbraune, weit geschnittene Jacke dazu bei. Viel zu warm für dieses Wetter. Hornbrille. So was ist inzwischen ja ziemlich modern, bei ihr wirkt sie irgendwie bedrohlich. Als wollte sie sich verstecken, aber dafür alles sehen. Sie muss so Mitte fünfzig sein, schätze ich. Durch das Kamerazoom hat sie älter gewirkt. Das „Magazin“ ist nicht eben ein linksfeministisches Kampfblatt. Immer auf der Suche nach Quote, hie und da mit Einsprengseln von seriösem Journalismus. Der wird allerdings in erster Linie von meinem Freund Droch, dem Leiter der Politik-Redaktion, abgedeckt. Aber ich bemühe mich auch, wirklich. Bloß, wie soll ich das meinem Gegenüber klarmachen? Muss ich?
„Maggy Körmer“, sagt sie nach einer Nachdenkpause. „Es handelt sich um einen freien Zusammenschluss freier Frauen. Wir haben keinen Namen. Wir spielen das Spiel männlicher Vereinsmeier nicht mit. Was wir sagen wollen, ist allerdings klar: Wir lehnen jede Form der männergesteuerten Gesellschaft ab.“ Sie fährt sich durch ihre etwas zu rot gefärbten Haare.
„Und was sagen Sie zu den vielen Frauen, die das, was Pauer schreibt, offenbar großartig finden?“
Maggy Körmer schnaubt. „Man hat ihnen das selbstständige Denken abgewöhnt. Sie sind von den Männern verobjektiviert worden, wenn Sie verstehen, was ich meine, nicht
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