Männersache Rasieren - Handbuch für den Rasur-Aficionado (German Edition)
Wilkinson, was die Vermutung bestätigt, dass die Klingengeometrie nicht auf Maximalschärfe ausgelegt ist, sondern durch einen flachen Winkel auf lange Standzeiten.
Dies bringt uns zu einer weiteren Untersuchung meiner Studentinnen Theresa Thesing und Stefanie Löbig, die neue und benutzte Rasierklingen unter dem Rasterelektronenmikroskop analysiert haben, um zu verstehen, was während des Abstumpfungsprozesses eigentlich passiert. Das ist wesentlich schwieriger durchzuführen als es klingt, denn die Klingen müssen aufwendig vorbehandelt werden. Es zeigte sich zum Beispiel, dass die Leitfähigkeit zu gering ist, um gut erkennbare Bilder zu erzeugen. Daher mussten die Klingen erst mit einer moleküldicken Goldschicht „besputtert“ werden. Erst dann waren die erforderlichen Vergrößerungsfaktoren von 2.000 und 10.000 möglich. Die aussagekräftigsten Bilder entstanden, wenn die Klingen auf der Seite auf einem Träger lagen, über den die Schneide hinausragt. Da es leider nicht gelungen ist, Multiklingen so auseinanderzunehmen, dass die Schneiden unversehrt blieben, konnten die Untersuchungen nur an klassischen Klingen vorgenommen werden.
Die Untersuchung hat bestätigt, dass die Herstellerangabe stimmt und die Schneide einer Wilkinson-Klinge eine Breite von 0,05 Mikrometern hat, und zwar ziemlich genau. Auch zeigt sich in den Bildern, dass der Abstumpfungsprozess im wesentlichen so erfolgt, wie wir ihn uns derzeit auch theoretisch vorstellen: Es brechen Scharten aus, wodurch eine sehr ungleichmäßige Mikrozahnung entsteht, die die Klinge unbrauchbar werden lässt. Es ist aber nicht gelungen, einen Zusammenhang zwischen der subjektiven Einschätzung von Versuchspersonen und sichtbaren Eigenschaften der Klinge aufzuzeigen. Offenbar haben wir also noch nicht den gesamten Prozess des Abstumpfens richtig verstanden.
Interessant ist auch die Suche nach dem Grat an der Klinge. Denn es gibt die Behauptung, dass Rasierklingen im Gegensatz zu anderen Messern einen Grat aufweisen müssen, um die Barthaare besser greifen zu können. Das scheint aber definitiv falsch zu sein, denn man kann auf den Bildern schlichtweg keinen Grat sehen, obwohl die Vergrößerung dafür mehr als ausreichen würde.
Welche Klinge für den Einstieg?
Falls du jetzt an dem Punkt angekommen bist, an dem du dich einfach nur noch rasieren willst, und zwar mit echten Klingen, dann will ich dich nicht länger abhalten. Hier sind meine Empfehlungen für die Praxis, in die mein gesamtes inzwischen erworbenes Wissen über Klingen eingeflossen ist:
Abgeklärte Herren verwenden und empfehlen auf Nachfrage gern die Rotbart . Auch ich halte sie für die Idealklinge sowohl für den Einstieg als auch für den Alltag, und man bekommt sie in haushaltsüblichen Mengen. Außer im Futur und Vision wirst du nichts anderes brauchen, es aber dennoch selber probieren wollen.
Viele, die herumprobiert haben, empfehlen die Personna oder Derby für den Einstieg. Es sind Klingen mit hervorragenden Schneideeigenschaften, die Derby ist sehr sanft, die Personna rauher und mit nur kurzer Standzeit. Leider gibt es sie meist nur 100er-weise.
Die Merkur Super hat unauffällige Allroundeigenschaften. Oft bekommt man beim Kauf eines Merkur-Hobels gleich ein paar mit dazu. Wisse aber, dass das Hobeln mit diesen Klingen schwieriger ist als mit der Derby. In meinen Augen ist sie ihr Geld nicht wert.
Womit du nicht einsteigen solltest, sind irgendwelche Klingen aus der Drogerie , weil diese einem ganz schnell das Hobelleben vergraulen können und schon so manchen dauerhaft davon abgehalten haben. Als Experte kannst du sie probieren, denn sie können durchaus gut sein.
Das gilt für den Anfang auch für die leicht erhältlichen Wilkinson-Klingen . Probiere sie aber später, denn sie könnten dein Geschmack sein. Sie sind in der Praxis viel besser als der Labortest nahelegt.
Nimm anfangs nicht die berüchtigte japanische Feather , die als die schärfste Klinge überhaupt empfunden wird (auch wenn sie bei den Labortests eher im Mittelfeld lag). Sie ist ebenfalls etwas für den speziellen Geschmack und hat Kultstatus. Daher will sie so ziemlich jeder früher oder später einmal probieren. Manch einer holt sich dabei eine blutige Nase; manch einer wird süchtig. Vielen passiert beides.
Überblickstabelle Rasierklingen
Schärfe Labor
Schärfe Praxis
Standzeit
Hautgefühl
Kultfaktor
Feather
mittel bis
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