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Märchen aus China - Vollständige Ausgabe mit Anmerkungen in der Übersetzung von Richard Wilhelm

Märchen aus China - Vollständige Ausgabe mit Anmerkungen in der Übersetzung von Richard Wilhelm

Titel: Märchen aus China - Vollständige Ausgabe mit Anmerkungen in der Übersetzung von Richard Wilhelm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wilhelm
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dir versprochen hat, deine Frau zu werden.«
    Da stieg der Kuhhirt eilends vom Rücken der Kuh herunter, nahm die roten Kleider und lief hinweg. In diesem Augenblick wurden die neun Mädchen seiner gewahr. Sie erschraken sehr.
    »Woher kommst du, Jüngling, dass du es wagst, unsere Kleider zu nehmen«, sagten sie. »Lege sie schnell wieder hin!«
    Aber der Kuhhirt ließ sich’s nicht anfechten, sondern duckte sich hinter eine der nephritenen Blumen. Da kamen acht der Jungfrauen eilends ans Ufer gestiegen und zogen ihre Kleider an.
    »Siebente Schwester«, sprachen sie, »der dir vom Himmel bestimmt, ist dir gekommen. Wir Schwestern wollen dich mit ihm alleine lassen.«
    So blieb die Spinnerin geduckt im Wasser sitzen.
    Sie schämte sich gar sehr und redete zu ihm: »Kuhhirt, gib mir schnell meine Kleider wieder!«
    Aber der Kuhhirt stand lachend da.
    »Wenn du mir versprichst, meine Frau zu werden«, sagte er, »dann geb’ ich dir deine Kleider.«
    Die Jungfrau aber war nicht einverstanden.
    »Ich bin eine Tochter des Herrn der Götter«, sagte sie; »ohne seinen Befehl darf ich nicht heiraten. Gib mir schnell meine Kleider wieder, sonst wird dich mein Vater bestrafen!«
    Da sagte die gelbe Kuh: »Ihr seid füreinander vom Schicksal bestimmt, ich will gern die Heirat vermitteln, und der Herr, Euer Vater, wird sicher nichts dagegen haben.«
    Da sprach die Jungfrau: »Du bist ein unvernünftiges Tier, wie könntest du den Ehevermittler machen?«
    Die Kuh sprach: »Am Ufer da, der alte Weidenbaum, versuch es einmal, ihn zu fragen! Kann er sprechen, so ist eure Vereinigung vom Himmel gewollt.«
    Und die Jungfrau fragte die Weide.
    Die Weide antwortete mit menschlicher Stimme:
»Siebenabend ist heut,
Der Kuhhirt die Spinnerin freit.«
    Da war die Jungfrau einverstanden. Der Kuhhirt legte die Kleider nieder und ging voran. Das Mädchen zog die Kleider an und folgte ihm nach. So wurden sie Mann und Frau.
    Nach sieben Tagen aber nahm sie Abschied von ihm.
    »Der Himmelsherr hat mir befohlen, ich solle nach dem Spinnen sehen«, sagte sie. »Wenn ich allzu lange säume, fürchte ich, wird er mich bestrafen. Aber wenn wir jetzt auch scheiden müssen, so werde ich doch wieder mit dir zusammenkommen.«
    Als sie diese Worte gesprochen, da ging sie wirklich weg. Der Kuhhirt lief ihr nach. Aber als er schon ganz nahe war, da zog sie einen ihrer Haarpfeile heraus und machte einen Strich quer über den Himmel. Dieser Strich verwandelte sich in den SilberFluss (Milchstraße). So stehen sie nun durch den Fluss getrennt und schauen nacheinander aus.
    Seitdem kommen sie jedes Jahr am Siebenabend einmal zusammen. Wenn die Zeit gekommen ist, so fliegen die Krähen aus der Menschenwelt alle herbei und bilden eine Brücke, auf der die Spinnerin denFluss Fluss überschreitet. An diesem Tag sieht man morgens und abends in den Bäumen keine einzige Krähe. Das hat wohl eben darin seinen Grund. Und außerdem fällt am Siebenabend häufig ein feiner Regen. Dann sagen die Frauen und alten Weiber zueinander: ,,Das sind die Tränen, die der Kuhhirt und die Spinnerin beim Abschied vergießen.« Darum ist der Siebenabend ein Regenfest.
    Westlich vom HimmelsFluss ist das Sternbild der Spinnerin, bestehend aus drei Sternen. Unmittelbar davor sind drei andere Sterne in Form eines Dreiecks. Es heißt, der Kuhhirt sei einmal böse geworden, als die Spinnerin nicht habe herüber kommen wollen, und habe mit dem Joch nach ihr geworfen. Das sei gerade vor den Füßen der Spinnerin niedergefallen. Östlich vom HimmelsFluss ist das Sternbild des Kuhhirten, bestehend aus sechs Sternen. Abseits davon sind zahllose kleine Sterne, die ein Sternbild formen, das an beiden Enden spitz und in der Mitte etwas breiter ist. Es heißt, die Spinnerin habe mit ihrer Spindel nach dem Kuhhirten wieder geworfen; aber sie habe ihn nicht getroffen, die Spindel sei abseits von ihm niedergefallen.

17. Yang Oerlang
    Die zweite Tochter des Himmelsherrn stieg einmal zur Erde hernieder und pflegte heimlichen Verkehr mit einem sterblichen Menschen, namens Yang. Als sie wieder zum Himmel zurückkam, gebar sie einen Sohn. Der Himmelsherr ward sehr zornig über diese Entweihung des Himmels. Er verbannte sie auf die Erde und deckte sie mit dem Wu-I-Berge zu. Ihr Sohn aber, Oerlang geheißen, der Enkel des Himmelsherrn, war von Natur überaus begabt. Als er herangewachsen war, hatte er die geheime Kunst erlernt, acht mal neun Verwandlungen zu beherrschen. Er konnte sich unsichtbar machen

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