Märchen, Der Falke unter dem Hut ab 9 Jahre
knurrte: „Du kommst mir gerade recht, ich werde dich fressen, denn ich habe einen Wolfshunger“, da blieb der Häsin vor Schreck fast das Herz stehen. Die Wolfsaugen sprühten grünes Feuer.
Er will mich fressen, was kann ich bloß tun, dachte sie, da schoß ihr auch schon wieder das Blut durch die Glieder und holte alle Gedanken zusammen.
„Na gut, dann friß mich, Wolf“, sagte die Häsin. „Freilich habe ich dich für klüger gehalten. Wenn man Hunger hat, soll man richtig essen und sich nicht mit einem armseligen Bissen begnügen. Bin doch nichts mehr als ein Haufen Knochen in einem Fellsack. Also friß mich ruhig. Den großen Leckerbissen werden sich dann andere holen.“
„Von was für einem Leckerbissen sprichst du?“ knurrte der Wolf. „Ich glaube dir kein Wort. Besser Fell mit Knochen und ein bißchen Blut als Baumrinde.“ „Wer redet von Baumrinde“, entrüstete sich die Häsin. „Weißt du denn nicht, daß sie im Unterdorf Hochzeit feiern und schon alle voll des süßen Weines sind?
Da liegen noch an die fünfzig Kuchen im Großbauernhof, und das Gesottene und Gebratene steht in Küche und Keller, nur so zum Zulangen. Sie haben gestern gerade die Hammel gehäutet, als ich vorbeikam, die braten sie jetzt am Spieß. Ich sage dir, Wolf, wenn du es schlau anfängst, kommst du zu einer herrlichen Mahlzeit.“
„Gut, abgemacht, Frau Häsin. Ich will dich heute laufenlassen. Aber ganz frei kann ich dich nicht geben. Versprich mir, daß du im nächsten Herbst deine Jungen hierher bringst. Die werde ich statt deiner verspeisen.“
„Bei Stummelschwanz und Hasenlöffel, ich verspreche es!“ sagte die Häsin und lief eilig davon.
Der Frühling kam, der Sommer verging, und der Herbst zog ins Land. Da trafen Wolf und Häsin wieder zusammen.
„Nun, Frau Stummelschwanz, du denkst doch wohl an dein gegebenes Wort?“ „Was versprochen wurde, muß gehalten werden!“ erwiderte die Häsin.
„Dann komm am nächsten Sonntag zur siebenten Morgenstunde auf die Wolfswiese und bringe deine sechs Kinder mit. Ich habe ein groß Gelüst auf Hasenfleisch.“
„Ich bringe sie dir, Wolf!“ sagte die Häsin.
Am Sonntag nahm die Hasenmutter ihre sechs Jungen ins Gebet und sprach zu ihnen: „Jetzt hört einmal gut zu: Wenn ihr mir heute nicht aufs Wort folgt, sind wir alle des Todes. Führt ihr aber getreulich aus, was ich euch befehle, braucht ihr keine Angst zu haben, dann werden wir den Wolf in die Flucht schlagen.“ Die jungen Hasen gelobten, folgsam zu sein.
Auf dem Wege zur Wolfswiese kamen sie an einem Maisfeld vorbei. Die Häsin schickte ihre Kinder auf das Feld und befahl, jedes solle sich einen Maiskolben ausbrechen und das buschige Ende aus dem Maul hängen lassen.
Als das geschehen war, sagte sie: „Nun wartet hier, bis ich euch rufe. Dann aber trabt recht gemächlich heran und zeigt keine Furcht.“
Am verabredeten Platz trieb sich der Wolf schon lüstern herum.
„He, hallo, warum kommst du allein?“ rief er wütend. „Willst du mich betrügen? Wo sind deine Jungen?“
„Beruhige dich, Wolf, ich habe sie ja mitgenommen“, sprach die Häsin. „Doch die Kinder gehen jetzt oft eigene Wege. Wilde Kerle sind es geworden und schwer zu bändigen. Seit sie Löwenfett geschleckt haben, sind sie so stark, daß ich nicht mehr mit ihnen fertig werde. Ein paar hinter die Löffel, das hilft nichts mehr.“ Die Häsin drehte sich um und rief anscheinend zornig: „So kommt doch endlich, ihr wilden, schrecklichen Kerle!“ Und zum Wolf gewandt, fügte sie hinzu: „Richtige Angst muß man vor ihnen haben.“
Da hoppelten die sechs Hasen aus dem Maisfeld, ohne jede Eile, ganz wie es die Mutter ihnen gesagt hatte.
„Was haben sie denn im Maul ?“ fragte der Wolf verdutzt.
„Ach, Freund Wolf, ich habe es dir ja soeben erzählt. Seit sie Löwenfett gefressen haben, sind sie nicht mehr zu bändigen. Jedes Tier, das ihnen über den Weg läuft, zerreißen sie. Jetzt spielen sie mit den Schwänzen der Wölfe, die sie vorhin vertilgt haben.“
Als der Wolf dies vernahm, verging ihm das Gelüst auf Hasenfleisch. Flugs drehte er sich um und lief, hast du, was kannst du, auf und davon.
Die Häsin aber mit ihren sechs Kindern hoppelte vergnügt nach Hause. Jetzt hatten sie Ruhe vor dem Wolf.
Ilse Korn
Das gewitzte Huhn
Ein Märchen aus Tadshikistan
Ein hungriger Schakal lief nah an einem Kischlak vorbei und sah, wie sich ein fettes Huhn unter einem Baum im Sande badete.
Das wäre ein
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