Maerchen Fuer Kinder
es und schossen mit brausenden Federn auf dasselbe los. »Tötet mich nur!« sagte das arme Tier und neigte seinen Kopf der Wasserfläche zu und erwartete den Tod. Aber was erblickte es in dem klaren Wasser? Es sah sein eigenes Bild unter sich, das kein plumper, schwarzgrauer Vogel mehr, häßlich und garstig, sondern selbst ein Schwan war.
Es schadet nichts, in einem Entenhofe geboren zu sein, wenn man nur in einem Schwanenei gelegen hat.
Es fühlte sich ordentlich erfreut über all' die Not und die Drangsal, welche es erduldet; nun erkannte es erst sein Glück an all' der Herrlichkeit, die es begrüßte.
Die großen Schwäne umschwammen es und streichelten es mit dem Schnabel.
Im Garten kamen da einige kleine Kinder, die warfen Brot und Korn in das Wasser, und das kleinste rief: »Da ist ein neuer!« Und die anderen Kinder jubelten mit: »Ja, es ist ein neuer angekommen!« Sie klatschten mit den Händen und tanzten umher, liefen zum Vater und zu der Mutter, und es wurde Brot und Kuchen in das Wasser geworfen, und sie sagten alle: »Der neue ist der schönste, so jung und so prächtig!« Und die alten Schwäne neigten sich vor ihm.
Da fühlte er sich beschämt und steckte den Kopf unter seine Flügel; er wußte selbst nicht, was er beginnen sollte, er war allzu glücklich, aber durchaus nicht stolz; denn ein gutes Herz wird nie stolz! Er dachte daran, wie er verfolgt und verhöhnt worden war, und hörte nun alle sagen, daß er der schönste aller schönen Vögel sei; selbst der Flieder bog sich mit den Zweigen gerade zu ihm in das Wasser hinunter, und die Sonne schien warm und mild. Da brausten seine Federn, der schlanke Hals hob sich und aus vollem Herzen jubelte er: »So viel Glück habe ich mir nicht träumen lassen, als ich noch das häßliche Entlein war!«
Die Störche.
Auf dem letzten Hause in einem kleinen Dorfe stand ein Storchnest. Die Storchmutter saß im Neste bei ihren vier kleinen Jungen, welche den Kopf mit dem kleinen, schwarzen Schnabel, denn der war noch nicht rot geworden, hervorstreckten. Ein kleines Stück davon entfernt stand auf dem Dachrücken ganz stramm und steif der Storchvater; er hatte das eine Bein unter sich aufgezogen, um doch einige Mühe zu haben, während er Schildwache stand. Fast hätte man glauben mögen, daß er aus Holz geschnitzt sei, so still stand er. »Es sieht gewiß recht vornehm aus, daß meine Frau eine Schildwache beim Neste hat!« dachte er. »Sie können ja nicht wissen, daß ich ihr Mann bin, sie glauben sicher, daß mir befohlen worden ist, hier zu stehen. Das sieht recht vornehm aus!« Und er fuhr fort, auf einem Beine zu stehen.
Unten auf der Straße spielte eine Schar Kinder, und da sie die Störche gewahr wurden, sang einer der mutigsten Knaben und später alle zusammen den alten Vers von den Störchen:
»Storch, Storch, fliege heim,
Stehe nicht auf einem Bein,
Deine Frau im Neste liegt,
Wo sie ihre Jungen wiegt.
Das eine wird gehängt,
Das andre wird versengt,
Das dritte man erschießt,
Wenn man das vierte spießt!«
»Höre nur, was die Kinder singen!« sagten die kleinen Storchkinder. »Sie singen, wir sollen gehängt und versengt werden!«
»Darum sollt Ihr Euch nicht kümmern!« sagte die Storchmutter. »Hört nur nicht darauf, so schadet es gar nichts!«
Aber die Knaben fuhren fort zu singen, und sie zischten den Storch mit den Fingern aus; nur ein Knabe, welcher Peter hieß, sagte, daß es unrecht sei, die Tiere zum besten zu haben, und wollte auch gar nicht mit dabei sein. Die Storchmutter tröstete ihre Jungen. »Kümmert Euch nicht darum,« sagte sie; »seht nur, wie ruhig Euer Vater steht, und zwar auf einem Beine!«
»Wir fürchten uns sehr!« sagten die Jungen und zogen die Köpfe tief in das Nest zurück.
Am nächsten Tage, als die Kinder wieder zum Spielen zusammenkamen und die Störche erblickten, sangen sie ihr Lied:
»Das eine wird gehängt.
Das andre wird versengt« –
»Werden wir wohl gehängt und versengt werden?« fragten die jungen Störche.
»Nein, sicher nicht!« sagte die Mutter. »Ihr sollt fliegen lernen, ich werde Euch schon einüben; dann fliegen wir hinaus auf die Wiese und statten den Fröschen Besuch ab; die verneigen sich vor uns im Wasser, singen: ›Koax, koax‹; und dann essen wir sie auf. Das wird ein rechtes Vergnügen geben!«
»Und was dann?« fragten die Storchjungen.
»Dann versammeln sich alle Störche, die hier im ganzen Lande sind, und die Herbstübung beginnt.
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