Maerchen Fuer Kinder
schlecht.
Da nun keine der Blumen Sophien zu erblicken schien, ließ sie sich vom Schubkasten gerade auf den Boden herunter fallen, sodaß es einen großen Lärm gab. Alle Blumen kamen herbeigelaufen und fragten, ob sie sich verletzt habe, und sie waren alle sehr freundlich gegen sie, besonders die Blumen, welche in ihrem Bett gelegen hatten. Aber sie war ganz munter, und Idas Blumen bedankten sich alle für das schöne Bett und nahmen sie mitten in die Stube, wo der Mond schien, tanzten mit ihr, und alle die andern Blumen bildeten einen Kreis um sie herum. Nun war Sophie froh und sagte, sie könnten gern ihr Bett behalten, sie mache sich nichts daraus, im Schubkasten zu liegen.
Aber die Blumen sagten: »Wir danken Dir herzlich, doch wir können nicht lange leben! Morgen sind wir tot; aber sage der kleinen Ida, sie solle uns draußen im Garten, wo der Kanarienvogel liegt, begraben, dann wachsen wir zum Sommer wieder und werden weit schöner!«
»Nein, Ihr sollt nicht sterben!« sagte Sophie, und dann küßte sie die Blumen, da ging die Saalthüre auf und eine Menge herrlicher Blumen kam tanzend herein. Ida konnte gar nicht begreifen, woher dieselben gekommen waren, das waren sicher alle Blumen draußen vom Schlosse des Königs. Ganz vorn gingen zwei prächtige Rosen, die hatten kleine Goldkronen auf, das war ein König und eine Königin, dann kamen die niedlichsten Levkojen und Nelken, und sie grüßten nach allen Seiten. Sie hatten Musik mit sich, große Mohnblumen bliesen auf Erbsenschoten, sodaß sie ganz rot im Gesichte waren. Die blauen Traubenhyacinthen und die kleinen, weißen Schneeglöckchen klingelten, gerade als ob sie Schellen hätten. Das war eine merkwürdige Musik. Dann kamen noch viele andere Blumen, und die tanzten allesamt, die blauen Veilchen und die roten Tausendschön, die Gänseblumen und die Maiblumen. Und alle Blumen küßten einander, das war allerliebst anzusehen!
Zuletzt sagten die Blumen einander gute Nacht, dann schlich sich auch die kleine Ida in ihr Bett, wo sie von allem träumte, was sie gesehen hatte.
Als sie am nächsten Morgen aufstand, ging sie geschwind nach dem kleinen Tische hin, um zu sehen, ob die Blumen noch da seien; sie zog die Vorhänge von dem kleinen Bett zur Seite, ja, da lagen sie alle, aber sie waren ganz vertrocknet, weit mehr als gestern. Sophie lag im Schubkasten, wohin sie Ida gelegt hatte, sie sah sehr schläfrig aus.
»Entsinnst Du Dich, was Du mir sagen solltest?« sagte die kleine Ida, aber Sophie sah ganz dumm aus und sagte nicht ein einziges Wort.
»Du bist gar nicht gut,« sagte Ida, »und sie tanzten doch allesamt mit Dir.« Dann nahm sie eine kleine Papierschachtel, worauf schöne Vögel gezeichnet waren, die machte sie auf und legte die toten Blumen hinein. »Das soll Euer niedlicher Sarg sein,« sagte sie, »und wenn später die Verwandten kommen, so sollen sie mir helfen, Euch draußen im Garten zu begraben, damit Ihr im Sommer wieder wachsen und weit schöner werden könnet!«
Die Verwandten waren zwei muntere Knaben, sie hießen Jonas und Adolf; ihr Vater hatte ihnen zwei neue Gewehre geschenkt, die sie mitgebracht hatten, um sie Ida zu zeigen. Sie erzählte ihnen von den armen Blumen, welche gestorben waren und da begruben sie dieselben. Beide Knaben gingen mit dem Gewehre auf den Schultern voraus, und die kleine Ida folgte mit den toten Blumen in der niedlichen Schachtel. Draußen im Garten wurde ein kleines Grab gegraben, Ida küßte erst die Blumen, setzte sie mit der Schachtel in die Erde und Adolf und Jonas schossen mit dem Gewehre über das Grab, denn sie hatten keine Kanonen.
Die Stopfnadel.
Es war einmal eine Stopfnadel, die sich so fein dünkte, daß sie sich einbildete, eine Nähnadel zu sein.
»Seht nur darauf, daß Ihr mich haltet!« sagte die Stopfnadel zu den Fingern, die sie hervornahmen. »Verliert mich nicht! falle ich hinunter, so ist es sehr die Frage, ob ich wieder gefunden werde, so fein bin ich!«
»Das geht noch an!« sagten die Finger, und faßten sie um den Leib.
»Seht Ihr, ich komme mit Gefolge!« sagte die Stopfnadel, und dann zog sie einen langen Faden nach sich, der aber keinen Knoten hatte.
Die Finger richteten die Stopfnadel gerade gegen den Pantoffel der Köchin, an dem das Oberleder abgeplatzt war und jetzt wieder zusammengenäht werden sollte.
»Das ist eine gemeine Arbeit!« sagte die Stopfnadel, »ich komme nie hindurch, ich breche! ich breche!« – und da brach sie. »Habe ich es nicht
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