Märchen unter dem Wüsenhimmel
Schreibpapier vom Schreibtisch, der in einer Ecke stand, und setzte sich auf das Sofa. Dann skizzierte sie einen groben Grundriss des Palastes, wie sie ihn vom Flugzeug aus erinnerte, und kennzeichnete die Räume, die sie kannte. Die Eingangshalle, einen Korridor und ihre Suite. Nichts weiter.
Mit einem Seufzer lehnte sie sich zurück an die weichen Polster. Vielleicht machte sie es sich zu schwer. Vielleicht sollte sie einfach zum Telefon greifen und sich mit Khalil verbinden lassen. Schließlich war er ihr Ehemann. Wenn sie ihn sehen, mit ihm sprechen konnte, sah alles schon viel besser aus.
Mit diesem Entschluss schloss sie die Augen. Vor lauter Anspannung hatte sie in der Nacht zuvor, während des Fluges, nicht geschlafen. Nur für eine Sekunde ruhen, dachte sie.
„Entschuldige, Kind, aber du hast nicht viel Zeit.“
Dora blinzelte und erblickte eine schlanke Frau mit grauen Strähnen in den dichten dunklen Haaren. Ein wundervoll geschnittenes saphirblaues Kostüm ließ sie königlich aussehen. Doch es war ihr Gesicht, das besondere Aufmerksamkeit forderte. Trotz des hohen Alters und der winzigen Runzeln in derpapierdünnen Haut war sie eine Schönheit.
„Fatima“, flüsterte Dora und setzte sich auf dem Sofa auf. Dann wurde ihr bewusst, dass sie mit der Königsmutter sprach. Hastig sprang sie auf und knickste. „Ich meine, Eure Hoheit.“
Fatima winkte ab. „Ich bitte dich, wir sind doch Familie, meine Liebe. Wenn dir Großmutter zu vertraut erscheint, dann nenne mich Fatima. Oder Erhabene . Dieser Titel hat mir immer gefallen. Zum ersten Mal hörte ich ihn vor vierzig Jahren, von einem Staatsoberhaupt. Der Mann hatte seine Hand unter meinem Rock, als er es sagte. Ich teilte ihm mit, dass ich durchaus bereit wäre, seine Geliebte zu werden, aber keine Geheimnisse hüten könne, und dass mein Mann, der König, wenn er von der Affäre erführe, ihm die Fähigkeit nehmen würde, je wieder mit einer Frau zu verkehren. Falls du verstehst, was ich meine.“
Fatima zwinkerte. Dann wurde ihre Miene traurig. „Ich vermisse ihn. Meinen Mann, nicht den anderen. Trotz meiner Späße war ich ihm fast vierzig Jahre lang eine gute und treue Ehefrau. Wir führten eine wundervolle Ehe.“ Sie befingerte den Ausschnitt ihres Kostüms. „Es ist von Chanel. Ich kannte Coco persönlich, aber in meinem Alter ist das nicht verwunderlich. Du bist also Khalils Braut. Ich kann mir denken, dass du recht verwirrt von allem hier bist.“
„Jetzt noch mehr als vorher“, sagte Dora unbedacht und schlug sich eine Hand vor den Mund. „Es tut mir leid. Das wollte ich nicht sagen.“
Fatima lachte. „Mag sein. Aber du hast es gedacht.“ Sie nahm auf dem Sofa Platz und bedeutete Dora, sich zu ihr zu setzen. „Ich bin etwas exzentrisch. Zum Teil liegt es an meinem Alter, aber hauptsächlich an meinem Naturell. Ich hatte mehr als siebzig Jahre Zeit, meine Sonderlichkeit zu kultivieren, und es bereitet mir großes Vergnügen, unerwartet zu handeln.“ Sie beugte sich vor und senkte die Stimme. „Wir sind von Männern umringt, meine Liebe. Givons Frau ist vor einigen Jahren gestorben,und ich kann ihn nicht dazu bringen, wieder zu heiraten. Er hat drei Söhne. Bahania, unser Nachbar und das Land meiner Geburt, hat eine Königsfamilie mit vier Söhnen und nur einer Tochter. Wir Frauen müssen zusammenhalten.“
Dora wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Also schwieg sie. Noch immer fühlte sie sich wie in einem Traum.
„Der Palast ist in Aufruhr“, fuhr Fatima fort. „Zum Teil deshalb, weil der jüngste Sohn des Königs in einem fremden Land in einer Ziviltrauung eine völlig Fremde geheiratet hat.“ Sie tätschelte Doras Hand. „Nichts für ungut, aber wir kennen dich nicht, oder?“
„Nein.“
„Außerdem geht es darum, dass es Khalil gar nicht ähnlich sieht. Er ist nicht impulsiv. Wenn Malik plötzlich mit einer Braut aufgetaucht wäre, wäre es eher verständlich.“ Fatima runzelte die Stirn. „Wie gut kennst du meinen Enkel?“
Dora schluckte. „Ich war seine Sekretärin in den Vereinigten Staaten.“
„Ein Impuls“, murmelte Fatima mehr zu sich selbst als zu Dora. „Hat er dir von der Narbe erzählt?“
Dora blinzelte verwirrt. „Die auf seiner Wange?“
„Es ist die einzige, von der ich weiß. Wenn er eine interessantere hat, musst du mir davon erzählen.“
„Ich weiß nicht, woher er die Narbe hat, und es ist die einzige, von der ich weiß.“
„Zu schade.“ Fatima verschränkte die Hände
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