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Maerchenerzaehler

Maerchenerzaehler

Titel: Maerchenerzaehler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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zurück zur Wohnungstür. Jetzt, dachte Anna, jetzt geht er und wir sind allein, und Abel kann aufhören, bedrohlich auszusehen, und ich kann ihn fragen, was das mit dem plötzlichen Anruf von Michelle soll, und … In diesem Moment meldete sich ihr Handy. Es war ein Reflex, in die Tasche zu greifen und den Anruf anzunehmen. Ein dummer Reflex, sie hätte es klingeln lassen sollen.
    »Anna«, sagte Magnus. »Wo bist du?«
    Sie sah Abels Blick. Sie wusste nicht, was er bedeutete. »Warum?«, fragte sie.
    »Querflöte«, sagte Magnus knapp. Er fragte nichts.
    »Mist!«, sagte Anna.
    »Sag mir, wo du bist, ich hole dich ab«, meinte Magnus. »Wir schaffen es noch.«
    Da war noch immer Abels Blick, der auf ihr lag.
    »Nein«, sagte sie. »Ich komme nach Hause. Jetzt sofort. Kannst du mich von zu Hause hinfahren? Es wird zu spät, ich weiß das, aber kannst du?«
    »Komm«, sagte Magnus. »Ich warte.«
    Anna steckte das Handy ein.
    »Ich habe völlig vergessen, dass ich noch Unterricht habe«, sagte sie. »Meine Flötenlehrerin wartet in einer Viertelstunde auf mich. Ich glaube … ich muss gehen, ich …« Sie drehte sich hilflos zu Abel um. »Ich will gar nicht, ich würde …«
    »Wenn du gehen musst, musst du gehen«, sagte Abel. Marinke hielt ihr die Haustür auf. Warum nahm er nicht einfach seine Aktenmappe und sein Lächeln und verschwand, ließ sie allein, wenigstens für einen Moment? Hauen Sie doch ab!, wollte sie schreien, hauen Sie ab, sind Sie denn blind, blind wie die weiße Katze an Bord des grünen Schiffes, sehen Sie nicht, dass Sie stören, begreifen Sie nicht, begreifen Sie nichts?
    Sie streckte eine Hand nach Abel aus, doch er wich zurück, genauso wie er vor Sören Marinke zurückgewichen war.
    »Geh«, sagte er knapp. »Dein Unterricht ist wichtiger.«
    Er schob Anna nicht zur Tür, er beförderte sie mit seinem Blick dorthin wie schon einmal, vor langer Zeit, und dann schloss er die Tür hinter ihr. Das Letzte, was sie sah, war Michas kleine Gestalt, die zaghaft aus dem Flur winkte.
    Sie ging die Treppen schweigend hinter Marinke hinunter. Eswar, als bildete sie plötzlich eine Einheit mit ihm, eine feindliche Einheit, die in Abels Welt nicht erwünscht war. Ihr Gehen war wie ein Verrat, und sie sah, was er gesehen hatte: Sie verbrachte den halben Tag mit ihm und Micha, dann bekam sie einen Anruf von einer Minute und verließ ihn. Ein Teller frischer Pfannkuchen stand irgendwo auf einem Wohnzimmertisch und wurde langsam kalt.
    Unten sah Frau Ketow durch ihren Türspalt. Anna ignorierte sie und trat hinter Marinke nach draußen. Sie musste sich beeilen. Sie hatte keine Zeit, mit ihm zu sprechen.
    Sie sprach mit ihm.
    »Wollen Sie wirklich helfen?«, fragte sie. »Ich meine … wenn Sie das wollen … warum vergessen Sie nicht einfach, dass Michelle Tannatek verschwunden ist?«
    »Weil das keine Lösung ist«, sagte Marinke. »Sie glauben die Sache mit dem Anruf auch nicht, hm?«
    Anna zuckte die Schultern. »Es ist nicht wichtig, was ich glaube«, erwiderte sie. »Wichtig ist, dass die beiden zusammenbleiben, Micha und ihr Bruder.«
    »Ich werde mich bemühen«, sagte Marinke ernst. »Aber dazu muss ich ein paar Dinge herausfinden.« Er kramte noch eine Visitenkarte aus der Tasche seiner Lederjacke und gab sie Anna. »Vielleicht rufen Sie mich auch einmal an. Wenn Sie ein wenig nachgedacht haben. Vielleicht gibt es Dinge, die Sie mir erklären können.«
    »Das klingt wie aus einem billigen Krimi«, sagte Anna und stieg auf ihr Rad.
    Marinke lachte. »Leider ist es ein ziemlich teurer Krimi«, sagte er. »Mein Job, meine ich. Jedenfalls, was den Arbeitsaufwand betrifft. Und – sagen Sie Ihrem Freund, dass er mich so schnell nichteinschüchtert. Ich habe mit Leuten zu tun, die weitaus gefährlicher aussehen. Diese Kneipe, vor der sie Rainer Lierski erschossen haben … der Admiral … ich kenne die Stammgäste dort ganz gut. Leider.«
    »Warten Sie«, sagte Anna. »Sie kannten Rainer Lierski?«
    Marinke nickte. »Auch so ein Kunde von uns. Eine Weile war er verschwunden, aber dann ist er wieder aufgetaucht, und es gab sofort Probleme. Ich kann nicht sagen, dass ich sehr um ihn trauere.« Zum ersten Mal war sein Lächeln nicht freundlich. Es war grimmig. Zum ersten Mal schien es echt. Er zuckte die Lederjackenschultern. »Am Ende hat er sich wohl mit den falschen Leuten angelegt.«
    »Oder mit den richtigen«, sagte Anna. Sie dachte die ganze Wolgaster Straße über Marinkes Bemerkung nach.

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