Maerchenhochzeit in Granada
kühler als in der Stadt, und sie trug nur ein dünnes Nacht hemd und darüber einen Morgenmantel.
Das Abendessen war anstrengend gewesen, denn einige von Sebastians Verwandten, die in der Nähe wohnten, waren vorbeigekommen, um seine Braut zu begrüßen, und außerdem waren einige Honoratioren des andalusischen Parlaments dabei gewesen.
Als Einziger war ihr Alfonso aufgefallen, ein entfernter Cousin von Sebastian, der ungefähr in ihrem Alter war und als Sekretär für Sebastian arbeitete. Er war attraktiv und auf den ersten Blick unnahbar, doch er hatte ein charmantes Lächeln. Er tat ihr Leid, weil er ein Auge auf Catalina geworfen zu haben schien. Allerdings war auch er viel zu ernst für sie.
Catalina war wie immer extremen Gefühlsschwankungen unterworfen. Während sie bei ihrer Ankunft noch glücklich gewirkt hatte, war ihr im Lauf des Abends offenbar immer mehr bewusst geworden, was für einen hohen Preis sie für ihren Wohlstand zahlte.
Die Ärmste, dachte Maggie, während sie die Hand in den Brunnen tauchte. Dann beugte sie sich über den Rand und betrachtete ihr Spiegelbild, das zuerst verzerrt und schließlich wieder unbewegt war.
„Genau wie ich", sagte sie zu sich selbst. „Im einen Moment bin ich völlig zerrissen, und im nächsten bin ich mit mir im Reinen. Aber dieser innere Frieden ist eine Illusion. Warum bin ich bloß hergekommen?"
„Ja, warum?" ließ sich plötzlich eine leise Stimme hinter ihr vernehmen.
Im selben Augenblick sah Maggie sein Spiegelbild im Wasser. „Ich habe gar nicht gemerkt, dass Sie hier sind", erwiderte sie und drehte sich um.
„Tut mir Leid, dass ich Sie erschreckt habe", sagte Sebastian.
„In einem abgeschlossenen Garten sollte man immer allein sein."
Er lächelte. „Sie verstehen also die Symbolik?"
„Ich kenne die Bedeutung, aber ich verstehe sie nicht. Wie soll man inneren Frieden finden, wenn man so isoliert ist?"
„Sie dürfen nicht vergessen, dass ein abgeschlossener Garten den Kosmos, die Unendlichkeit, symbolisiert. Hier kann man die ganze Schönheit in der Hand halten."
Sebastian tauchte die Hand in den Brunnen und hob sie hoch, so dass das Wasser hinunterlief. „Sie können es deuten, wie Sie wollen", meinte er.
Wie gebannt blickte Maggie aufs Wasser und spürte, wie sie innerlich immer ruhiger wurde. Dies hier war ein magischer Ort, und es wäre leicht, dieser Magie nachzugeben. Sie tauchte auch die Hand ins Wasser und hob sie hoch, fasziniert von den glitzernden Tropfen.
Daraufhin nahm er ihre Hand.
„Danke für alles", sagte er. „Dafür, dass Sie Isabella beruhigt haben und Catalina zur Seite stehen, dafür, dass Sie so klug und stark sind."
Trotz des kühlen Wassers spürte sie seine Körperwärme. Sie wollte etwas erwidern, konnte es jedoch nicht.
„Ich glaube, Sie gehören in einen abgeschlossenen Garten", bemerkte er.
„Von der Welt abgeschlossen?" brachte sie hervor. „Nein, ich nicht."
„Nein, nicht von der Welt abgeschlossen. Sie würden die Welt in sich tragen und in der Hand halten, und der Mann, der auf der Suche nach der Wahrheit wäre, würde sie bei Ihnen finden. Dann könnte er den Rest der Welt ausschließen, weil er alles hätte, was er braucht."
Seine Worte waren sehr verführerisch. Maggie riss sich zusammen. „Wenn wir der Symbolik so viel Bedeutung beimessen, was ist dann mit der Wirklichkeit?"
„Ich frage mich, von welcher Wirklichkeit Sie sprechen."
„Gibt es denn mehr als eine?"
„Unzählige, und jeder legt sich seine eigene zurecht."
„Jeder Mann vielleicht", erwiderte sie trocken. „Aber wie oft hat eine Frau die Wahl? Meistens zwingt der Mann ihr seine Vorstellung von der Wirklichkeit auf."
„War das bei Ihnen der Fall? Oder haben Sie selbst entschieden - und dann gemerkt, dass Sie blind waren?"
„Ist man nicht immer blind, wenn man eine Entscheidung trifft?" Sie fröstelte.
„Sie sind viel zu dünn angezogen", erklärte Sebastian. Schnell zog er sein Jackett aus und hängte es ihr über die Schultern. „Wenn Sie krank werden, wird meine Braut böse auf mich.
Sie hat mir schon vorgeworfen, ich hätte Sie gezwungen, nach Spanien zu kommen, wo Sie an Ihre große Liebe erinnert werden und es Ihnen das Herz bricht."
„Ach du meine Güte! Ich sage ihr immer, dass sie das Ganze nüchtern betrachten soll."
„Sie verschwenden Ihre Zeit. Catalina möchte Sie so sehen. Als Nächstes wird sie Ihnen vorschlagen, durch die Straßen von Granada zu gehen und die Orte aufzusuchen, an denen
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