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Märchenkranz für Kinder - Märchen der Welt ; 67

Märchenkranz für Kinder - Märchen der Welt ; 67

Titel: Märchenkranz für Kinder - Märchen der Welt ; 67 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: JazzyBee Verlag Jürgen Beck
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Jasmin, und hochstämmige Rosenbäume trugen Blumen und Knospen, roth, weiß und gelb. Auf zierlich abgesteckten Beeten prangten Lilien, Tulpen, Nelken, Narcissen und andere liebliche Blumen; das bescheidene Tausendschön, das blaue Veilchen, die duftende Reseda, die buntbestäubten Aurikel bekränzten diese Beete, und süße Wohlgerüche entstiegen den Kelchen.

     
    In diesem Garten pflegte der Knabe in der schönen Jahreszeit, sobald der Lenz begann, seine Blüthen zu verstreuen, bis der Herbst wieder das Laub von den Bäumen streifte, und die gereifte Purpurtraube gepflückt und zur Kelter gesammelt war, zu spielen. Hier sprang er umher, schlug den Ball, oder haschte Schmetterlinge und Maikäfer, pflückte sich Blumen, und ließ, wenn es später im Jahre war, und die Winde schon stärker weheten, Drachen an einem langen seidenen Faden in die Luft fliegen.

     
    Einst sprang der Knabe in diesem anmuthigen Garten gegen Abend fröhlich umher, und belustigte sich am Werfen mit einem Ball. Dieser flog in ein Gebüsch von Flieder und Rosen. Er wollte den verlorenen Ball dort wieder hervorziehen, aber als er auf dem grünen Rasen kniete, und die kleine Hand in das Laub des Gebüsches streckte, wohin der Ball geflogen war, und der ihm noch roth und gelb entgegen schimmerte, rauschte ein kleines Vögelchen aus dem Dickicht hervor, und setzte sich dicht neben ihn auf eine blühende Rose.

     
    Das Vögelchen war so klein und leicht, daß es die Rose tragen konnte, ohne entblättert zu werden, oder einzuknicken. Sein Gefieder schimmerte in allen Farben des Regenbogens, wie Gold und Edelsteine. Es zwitscherte süße Töne, sah den Knaben mit seinen kleinen, hellleuchtenden Augen sehr freundlich an, und nickte dabei mit dem kleinen, buntbefiederten Köpfchen, als wollte es gleichsam sagen: Da bin ich, greif' mich! –

     
    Der Kleine vergaß hierüber seinen Ball, und verwandte kein Auge von dem schönen Vögelchen. Es erwachte in ihm die Begier, es zu besitzen; er greift nach ihm, um es zu erhaschen, aber der befiederte Gartenbewohner hüpfte von Zweig zu Zweig, doch immer nur so weit, daß er vor einem raschen Angriff des Knaben gesichert ist.

     
    So neckte ihn der Vogel unablässig, und der Knabe wurde dadurch nur noch eifriger, ihn zu verfolgen. Jetzt waren sie bis an das äußerste Ende des Gartens gekommen, der an einen, durch einen Zaun getrennten, großen Wald stieß. Hier flog der Vogel auf die Spitze eines Spaliers dieses Zaunes, und als der Knabe, schon ganz ermüdet, nach ihm greifen wollte, verließ er diesen Sitz, und rettete sich auf den untersten Zweig des Baumes, der im Walde diesem Zaun zunächst stand.

     
    Hier begann das lose Vögelchen auf's Neue sein muthwilliges Spiel mit dem Kleinen, und sein zwitschernder Gesang kam diesem wie eine Art Spott vor, daß er nun, durch den Zaun getrennt, vor seinen Nachstellungen sicher sey.

     
    Dies entflammte bei dem feurigen Knaben die Begier nach dem Besitz des Vogels noch stärker, wie zuvor. Vater und Mutter, und alle ihre Hausgenossen und Umgebungen hatten immer jeden seiner Wünsche befriedigt, und jetzt sollte ein kleiner, unbedeutender Vogel sich gegen ihn widerspenstig bezeigen? Das konnte er nicht ertragen; er bot also alle seine Kräfte auf, sich durch das Gitter des Zauns zu zwängen. Aber so klein und schlank er auch war, so waren die Stäbe doch zu dicht neben einander, und so unbeweglich befestigt, daß alle Anstrengungen seiner kindischen Kräfte es nicht vermochten, nur Einen von seiner Stelle zu rücken. Der Vogel schien diesen fruchtlosen Bemühungen mit Ruhe zuzusehen, und sein Gesang aus der kleinen Kehle klang fort, wie ein höhnendes Ha! ha!

     
    Das verdroß den Knaben noch mehr. Er versuchte über den Zaun zu klettern; mit vieler Mühe erreichte er die Spitze desselben, sprang dann hinunter, blieb aber an einem der Zacken des Gitterzauns mit dem feingewebten Gewande hängen, und zerriß es in Fetzen. Dieser Umstand schmerzte ihn zwar, doch vergaß er ihn bald über den Vogel, der ihn ganz furchtlos emporklettern und herunterspringen sah, ohne sich nur im mindesten von dem Zweige zu entfernen, auf welchem er saß. Er hatte sogar jetzt das Köpfchen unter die Flügel gesteckt, als wenn er schliefe, und der Knabe zweifelte nicht, ihn jetzt sicher zu erhaschen. So wie er aber die Hand nach dem, zum Schein schlummernden, Vogel ausstreckte, rauschte dieser empor, und wählte einen andern entfernten Zweig zu seinem Sitz.

     
    Unmuthig über

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