Märchenkranz für Kinder - Märchen der Welt ; 67
ein,
Wohl um das Schwein,
Wohl um des Königs Töchterlein.
Das kam dem Könige verdächtig vor, und er fragte den Schäfer, wo er das Rohr zu der Flöte geschnitten hätte? Dieser zeigte den Ort an, worauf der König mit seinen Leuten sich nach der Brücke hinaus begab, und nachgraben ließ. Da fanden sie den Leichnam des erschlagenen Bruders in der Erde eingescharrt. Hierauf nahm der König den Mörder in's Verhör, und ließ ihn, da er sein Verbrechen eingestanden, von der Brücke in's Wasser stürzen, wo er auch ertrank. Die Gebeine des Bruders ließ er auf dem Gottesacker vor der Stadt begraben, und Blumen auf das Grab pflanzen, welche die Königstochter mit ihren Thränen begoß. Von Stund' an aber hörte die Flöte auf zu singen, man mochte darauf blasen, so viel man wollte.
20. Der Knabe und der Vogel.
In einer großen Handelsstadt lebte einmal ein reicher Kaufmann, dem zu seinem Glücke nichts weiter fehlte, als ein Sohn, denn er hatte keine Kinder. Endlich wurde er auch dieses Glückes theilhaftig; seine Frau gebar ihm einen lieben muntern Knaben, zur Freude des ganzen Hauses.
Als nun das Tauffest gehalten wurde, erschien auch eine Fee, um dem Täufling ihre Geschenke darzubringen. Sie trat zu den Aeltern, und sagte: »Ich könnte ohne Mühe die ganze Wiege eures Kindes mit den köstlichsten Edelsteinen, Diamanten, Rubinen, Saphiren und Smaragden überschütten; aber ihr seyd schon reich genug. Reichthum, ohne die Gabe, ihn nützlich anzuwenden, macht nicht glücklich; darum beschenke ich euern Sohn mit Lebhaftigkeit des Geistes und schneller Fassungsgabe. Dies Beides wird ihn in den Stand setzen, sich nicht nur einen Schatz trefflicher Kenntnisse zu erwerben, sondern die erworbenen Kenntnisse auch gehörig anzuwenden!«
Hierauf verschwand die Fee. – Der Vater, ein eifriger Handelsmann, war mit diesem unsichtbaren Angebinde der Fee nicht ganz zufrieden, und meinte zu seiner Frau, sie hätte dem Kinde wohl ein werthvolleres Geschenk machen können. Die Edelsteine, deren sie erwähnt, wären nicht zu verachten gewesen, und da er auch mit Juwelen handle, so würde er sie mit großem Vortheil verkauft haben, und sein Söhnlein hätte von dem Geldertrag ansehnliche Zinsen ziehen können.
Bei dem Knaben aber entwickelten sich schnell die Geschenke der Fee. Er zeigte im sechsten Jahre einen bewundernswerthen lebhaften Geist; Alles, was er sah und hörte, prägte sich seinem Gedächtnisse tief ein, und er that oft den Aeltern und Bekannten, selbst Fremden, die des Handels wegen zu dem Vater kamen, solche Fragen mit kindlicher Treuherzigkeit, daß die Befragten oft in Verlegenheit geriethen, was sie ihm darauf antworten sollten. Alle bewunderten das kluge und wißbegierige Kind, am meisten aber die Mutter, deren Liebling es um so mehr war, da es keine Geschwister hatte.
Die Folge dieser mütterlichen Liebe war aber, daß sie dem Söhnchen allen Willen ließ, jeden seiner kleinen Wünsche befriedigte, und allen seinen Launen und thörichten Einfällen nachgab. Der Vater und die Hausgenossen folgten ihrem Beispiele, um es nur mit der Mutter nicht zu verderben, und sich bei ihr einzuschmeicheln.
Die Fee, die immer ein wachsames Auge auf den Knaben gehabt hatte, erschien einst der Mutter, und stellte ihr vor, das sie dem Knaben durch ihre allzugroße Nachgiebigkeit sehr schade, sie müsse seinen Willen frühzeitig zügeln, und ihm keine Unarten nachsehen: denn sonst würde ihr Angebinde, statt ihn glücklich zu machen, ihm zu seinem Verderben gereichen.
Die Mutter wagte es nicht, der Fee, aus Furcht vor ihrer Macht, gerade zu in's Gesicht zu widersprechen; sie beschönigte ihre Nachsicht mit ihrer Liebe, und versicherte, daß ihr Söhnchen noch nichts Schädliches begehrt, und nicht Tadelnswerthes gethan habe.
Die Fee ermahnte nochmals die Mutter zur Strenge gegen den Knaben, und bat sie dringend, ihn nicht durch unzeitige Nachgiebigkeit zu verwöhnen, und sein Herz durch eine verkehrte Erziehung zu verderben. – Die Mutter aber achtete wenig auf diese wohlgemeinten Ermahnungen der Fee, und dachte, sie hätte sich um die Erziehung ihres Sohnes nicht zu bekümmern.
An das prächtige, fast palastartige Haus des reichen Kaufmanns stieß ein sehr schöner, großer Garten, geschmückt mit den mannichfaltigsten Bäumen und Stauden; hier wechselten Palmen mit Myrthen und Lorbeerbäumen, Orangen mit Mandelbäumen, blühende Fliederstauden mit
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