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Märchenkranz für Kinder - Märchen der Welt ; 67

Märchenkranz für Kinder - Märchen der Welt ; 67

Titel: Märchenkranz für Kinder - Märchen der Welt ; 67 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: JazzyBee Verlag Jürgen Beck
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armen Kindern werden? Die müssen wir wohl dem lieben Gott befehlen, der für sie sorgen wird, da wir es nicht mehr können! Ich will sie morgen mit in den dicksten Wald führen, und Reisholz auflesen lassen, und mich dann heimlich davon machen. Den Rückweg finden sie gewiß nicht! Und wenn sie auch im Walde umkämen, so ist's doch besser, als wenn wir sie vor unsern Augen so langsam sollen verschmachten sehen!«

     
    »Wie!« rief die Frau, »du wolltest deine Kinder aussetzen, und von wilden Thieren fressen lassen? Das kann ich nimmermehr zugeben.«

     
    Traurig zuckte der Mann die Achseln, und nachdem er seiner Frau Alles noch einmal vorgestellt hatte, wie es doch ganz unmöglich sey, die vielen Kinder zu ernähren und vor dem Hungertode zu schützen, so willigte sie endlich weinend in seinen Vorschlag ein, und legte sich bekümmert zu Bette, und betete zu Gott, daß er doch helfen möge.

     
    Der kleine Däumling hatte aber nicht geschlafen, und wohl bemerkt, daß die Aeltern von ihm und seinen Geschwistern sprachen; er war daher leise von seiner Schlafstelle aufgestanden, und unter des Vaters großen Holzschemel heimlich und unbemerkt gekrochen, und hatte da Alles genau mit angehört. Als nun die Aeltern sich niederlegten, ging auch er wieder in sein Bette, schlief aber die ganze Nacht nicht, sondern sann hin und her, was wohl unter solchen Umständen am gerathendsten zu thun seyn möchte.

     
    Ohne seinen Brüdern etwas zu sagen, weil er sie nicht ängstigen wollte und sie auch noch so sanft schliefen, stand er ganz früh auf, sobald der Tag graute, ging an einen Bach, und sammelte sich da alle Taschen voll weißer Steinchen, und eilte damit wieder nach Hause zurück.

     
    »Kommt, Kinder!« sagte ein Stündchen darauf der Vater; »ihr sollt mit mir in den Wald gehen, und dort dürres Reisholz lesen.« Somit ging's fort in den Wald; klein Däumling ließ sich aber nichts von dem merken, was er vorhatte.

     
    Jetzt waren sie so tief in das Dickicht gekommen, daß man nicht zehn Schritte weit sehen konnte. »Leset hier!« sagte der Vater, »ich werde noch etwas weiter in den Wald hineingehen, und euch zu rechter Zeit abholen.« Aber der Vater holte sie nicht, sondern hatte sich ganz heimlich nach Hause geschlichen.

     
    Da nun der Vater nicht kam, wurde den Kindern in dem dicken, dichten Walde sehr bange; sie fingen an, gewaltig zu weinen, zu heulen und zu schreien; nur der kleine Däumling schrie nicht, denn er wußte wohl, wie er sich wieder aus dem Walde herausfinden wollte. Er hatte nämlich die kleinen weißen Bachkiesel, die er mit sich genommen, auf den Weg hingestreut, und so konnte er den Rückweg nicht verfehlen. »Seyd nur ruhig,« sagte er zu den weinenden Brüdern, »ich bringe euch sicher und gewiß nach Hause.« Und das that er auch. Unterwegs aber hatte ihnen Däumling Alles erzählt, was die Aeltern am Abend mit einander gesprochen, und als sie nun vor dem älterlichen Hause angelangt waren, traueten sie sich nicht hineinzugehen, sondern horchten vor der Thüre, was Vater und Mutter wohl sagen möchten.

     
    Mit diesen hatte sich indeß eine Veränderung zugetragen: denn eben, als der Vater mit den Kindern nach dem Walde gegangen war, hatte der Herr des Dorfes zehn Thaler geschickt, welche er dem Holzhacker schon seit lange für Arbeitslohn schuldig gewesen, und die die armen Leutchen schon für verloren geglaubt hatten. Die Auszahlung dieser Schuldpost war für die Armen, die fast Hungers starben, eine große Hülfe in der Noth. Sogleich nach Empfange des Geldes ging die Frau zu einem Fleischer, und da es schon lange her war, daß sie nichts Ordentliches gekocht hatte, so kaufte sie in ihrer Freude drei Mal mehr ein, als für sie und ihren Mann nöthig war.

     
    Wie sie nun am Abend sich gütlich gethan, und sich recht satt gegessen, und noch viel übrig geblieben war, da fing die Frau an zu weinen, und sagte: »Ach, wo mögen jetzt unsere armen Kinder seyn! O, wie würden sie essen, wenn sie hier wären! Nur du bist schuld« – fuhr sie zu ihrem Manne fort, – »daß wir sie nicht mehr haben; jetzt werden sie im Walde umherirren, und vielleicht von den Wölfen zerrissen.« Dies Klagelied wiederholte sie so oft, daß der Mann endlich ungeduldig wurde, und ihr mit harten Worten drohte, still zu schweigen. Aber die Frau ließ sich nicht beruhigen; und schrie nur desto lauter: »Ach, meine armen Kinder! wo mögen meine armen Kinder seyn!«

     
    Dies hörten die Kinder an der Thüre,

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