Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Märchenkranz für Kinder - Märchen der Welt ; 67

Märchenkranz für Kinder - Märchen der Welt ; 67

Titel: Märchenkranz für Kinder - Märchen der Welt ; 67 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: JazzyBee Verlag Jürgen Beck
Vom Netzwerk:
zurück in den Wald. Noch war er nicht weit gegangen, als auch der wilde Eber ihm entgegen kam. Da hob er eiligst seinen Spieß, und warf ihn dem Schweine gerade in den Rachen. Das stürzte nun wüthend auf ihn zu, rannte dabei aber das Eisen sich noch tiefer in das Herz, und stürzte todt zu seinen Füßen nieder. Der Eber aber war so groß und schwer, daß er ihn nicht zu tragen vermochte.

     
    Als er nun so hin und her sann, wie er es wohl machte, daß er ihn vor den König brächte, da kam sein Bruder geritten. Der war sehr erstaunt, als er den Eber todt da liegen sah, und freuete sich sehr, und sprach: »Laß uns aus Bäumen eine Schleife machen, und das Unthier darauf legen, dann wollen wir das Pferd davor spannen, und so das Schwein in die Stadt ziehen lassen.« So geschah es auch.

     
    Es wurde aber Nacht, ehe sie die Stadt erreichten, und als sie an die Brücke kamen, die über den Fluß geht, der zwischen dem Walde und der Stadt fließt, so schlug der ältere Bruder den jüngeren todt, damit er den Ruhm hätte, das Schwein erlegt zu haben, und die Königstochter heirathen könnte. Das sah niemand, weil es Nacht war. Er aber verscharrte den Bruder unter der Brücke, und fuhr nun mit dem Schweine weiter in die Stadt zur Königsburg.

     
    Hier stellte er sich am folgenden Morgen vor den König, zeigte das erschlagene Unthier, und erdichtete eine weitläufige Erzählung von seiner Heldenthat. Darauf bat er, daß ihm nun auch die Königstochter als versprochener Preis gegeben würde.

     
    Der König war hocherfreut, als er das ungeheure Thier todt zu seinen Füßen liegen sah, und ließ seiner Tochter sagen, daß sie kommen, und den kühnen Helden begrüßen, und ihm ihre Hand reichen sollte. Da diese nun meinte, daß es der schöne Jüngling wäre, den sie früher bei ihrem Vater gesehen hatte, so freute sie sich heimlich im Herzen. Als sie aber seinen Bruder sah, weinte sie, und fragte, wo der Andere geblieben wäre? Da antwortete er, daß er dieses nicht wisse, indem sie nicht zusammen, sondern jeder in einer andern Gegend des Waldes gejägt hatten. Er sey daher wohl möglich, daß er irgend wo zwischen den Bergen, von dem Eber zerrissen, liegen möchte.

     
    Da weinte die Prinzessinn noch mehr, denn sie empfand gegen den Bruder mehr Widerwillen, als Zuneigung. Weil aber der König an sein Wort gebunden war, so half ihr all ihr Widerstreben nichts, und sie mußte ihn heirathen.

     
    So lebten sie wohl ein Jahr, aber je länger sie bei einander lebten, je mehr wurde das Herz der Königstochter von ihrem Gemahle abgewandt: denn er war hart und finster. Darum ging sie ihm auch aus dem Wege, wo sie nur immer konnte, und weinte im Stillen.

     
    Um diese Zeit geschah es, daß einmal ein Schäfer aus der Gegend über die Brücke ging, wo der Mörder seinen Bruder erschlagen und begraben hatte. Da er nun unter dem Bogen der Brücke Rohr wachsen sah, so stieg er hinunter, um sich eine Pfeife zu schneiden. Hier kam er an eine Stelle, wo die Stengel ungewöhnlich stark emporgeschossen waren. Er wußte aber nicht, daß an diesem Orte die Gebeine des erschlagenen Jünglings lagen. Darum schnitt er sich eine Rohrstaude aus, nahm sie in seine Hand, und ging damit zu seiner Heerde. Hierauf setzte er sich unter einen Baum, und machte sich die Flöte. Nachdem er Alles wohl zugerichtet, und die Löcher eingeschnitten hatte, setzte er sie an seinen Mund, um sie zu versuchen. Wie erstaunte er aber, als die Flöte sogleich ganz deutlich dieses Lied sang:

     
      Ich armes Rohr!

      Aus Todtenbein

      Schoß ich hervor,

      Am Brückenstein;

      Da schlug mein Bruder mich todt,

      Vom Blute so roth,

      Und grub mich ein,

      Wohl um das Schwein,

      Wohl um des Königs Töchterlein.

     
    Seine Mitgesellen, die auf dem Felde waren, liefen zusammen, als sie das ungewohnte, wehmüthige Lied hörten, und baten den Schäfer, dasselbe zu wiederholen. So oft er aber die Flöte an die Lippen setzte, erklang jedes Mal wieder das vorige Lied, das letzte Mal immer noch trauriger, als das erste.

     
    Dies Wunder machte Aufsehen in der ganzen Gegend, und kam auch vor die Ohren des Königs. Der befahl sogleich, daß der Schäfer zu ihm kommen sollte. Und als er erschien, mußte er die Flöte blasen, welche unter den wehmüthigsten Tönen wiederum sang:

     
      Ich armes Rohr!

      Aus Todtenbein

      Schoß ich hervor,

      Am Brückenstein;

      Da schlug mein Bruder mich todt,

      Vom Blute so roth,

      Und grub mich

Weitere Kostenlose Bücher