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Märchenmord

Märchenmord

Titel: Märchenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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dem Wasser, das von Minute zu Minute schaler schmeckte, und starrte dem Touristenstrom nach, der sich den Kiesweg entlang Richtung Louvre wälzte. »Musst du heute nicht arbeiten?«, fragte Gina, um irgendetwas zu sagen. »Doch, jeder Cent ist wichtig.« »Warum bist du dann hier?« Noah antwortete nicht, sondern wandte ihr das Gesicht zu. Eine Kaugummiblase zerplatzte vor Ginas Augen. »Wenn du jeden Cent brauchst?«, hakte sie nach. »Ich bin selbstständig«, antwortete Noah. »Dann arbeite ich eben bis tief in die Nacht.« »Gibt es keine anderen Jobs? Musst du ausgerechnet Schuhe putzen?« Sie konnte es nicht ändern. Die Hitze machte einfach schlechte Laune. »Was hast du gegen Schuheputzen?«
    »Ich kann mir Schöneres vorstellen. « »Ich kann mir auch Schöneres vorstellen«, eine neue Kaugummiblase zerplatzte in der Luft, »als verfolgt zu werden. « »Ich habe es mir nicht ausgesucht. « »Ich auch nicht«, antwortete er. »Und Hakima auch nicht. « Sie schwiegen erneut, um die Ewigkeit zu überbrücken . Plötzlich packte Noah Ginas Arm. »Achtung, er kommt! « Gina duckte sich hinter das Gebüsch und warf einen Blick au f das Café gegenüber, wo der schwarze Mann auftauchte un d nach allen Richtungen schaute. Hatte er endlich verstanden , dass sie die Flucht ergriffen hatte? Hinter ihm kam die Grupp e Jugendlicher zur Tür heraus und schoben ihn nach vorne . Der Mann ging die drei Stufen nach unten und wandte sic h Richtung Ausgang, wo eine Gruppe Japaner auf ihn zukam . »Es geht los!«, flüsterte Noah. »Wir bleiben immer hinter ihm. « Nach einigen Schritten fiel Gina etwas ein: » Merde, ich habe di e Cola nicht bezahlt. « »Was? « »Die Cola! Im Café! Ich habe sie nicht bezahlt. Ich muss zurück. « »Spinnst du? Das ist doch jetzt egal«, antwortete Noah, währen d sein Blick dem schwarzen Mann folgte, der nun die entgegengesetzte Richtung zur Metro einschlug. »Wir müssen ihm au f den Fersen bleiben. Du weißt doch, was mein Großvater gesag t hat. « »Jaja, es ist besser, im Rücken des Feindes zu stehen, als in sein e Augen zu blicken«, seufzte Gina, bevor sie ihm folgte .
    *
    Es war verdammt anstrengend, den Mann nicht im Getümmel der Passanten und den Katakomben der Pariser Metro zu verlieren. Er war wie eine Schlange, die überall durchhuschte. Immer wieder verloren sie ihn aus den Augen, als sei er lediglich ein Schatten, als sei er unsichtbar, als habe er die Fähigkeit, sich in Luft aufzulösen. Vielleicht ging er immer so durchs Leben. Mit diesem Blick wie ein Raubtier, nein, kein Raubtier, sondern vielmehr wie diese Tiere, die das fraßen, was die Löwen übrig ließen. Wie hießen die noch mal? Sie überlegte einige Minuten, dann fiel es ihr wieder ein: Hyänen. »Gibt es in Marokko Hyänen?«, rief sie Noah zu. »Was?« Er ließ den schwarzen Mann nicht aus den Augen, der nun abrupt am Bordstein stehen blieb. »Gibt es in der Wüste Hyänen?« Doch Noah konnte nicht antworten, denn plötzlich rannte der schwarze Mann auf die Straße. Er überquerte sie, ohne auf den Verkehr zu achten, drängte sich durch die hupenden Autos und ignorierte das laute Quietschen der Bremsen. Was? Bildete er sich etwa ein, unverletzlich zu sein? Für einen Moment wünschte sich Gina, Schumi käme mit seinem Ferrari angerast und würde ihn einfach über den Haufen fahren. Dann wäre alles vorbei. »Vite!« Aus den Augenwinkeln sah sie, dass die Ampel rot war. Doch Noah packte ihre Hand und zog sie hinter sich her mitten durch die Autos. Sie würde das nicht überleben. Mit Sicherheit nicht. Sie hätte Tom eine SMS zum Abschied schreiben sollen. WASCHÖMD
    War schön mit dir.
    IEL & T
    In ewiger Liebe und Treue.
    Aber sie hatte keine Zeit, Angst zu haben, denn nun bog der Mann in eine Straße und ging zielstrebig auf ein Gebäude zu, in dem sich ein Reisebüro befand, dessen Tür offen stand, vermutlich um für Abkühlung zu sorgen. In der nächsten Minute war er darin verschwunden.
    »Hey«, murmelte Noah und schüttelte den Kopf. »Was will der hier?« »Vielleicht geht er weg aus Paris? Er verlässt die Stadt. Schließlich hat er jemanden umgebracht.« Gina spürte eine leise Hoffnung in sich hochsteigen. Doch Noah antwortete nicht, sondern starrte auf das Schaufenster, hinter dem sie einen weißhaarigen Kopf auftauchen sahen. Die beiden Männer unterhielten sich. Nur worüber? Noah presste das Gesicht an die Scheibe, um etwas sehen zu können. »Lass das! Was, wenn sie dich entdecken?«, wisperte

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