Märchenprinz Sucht Aschenputtel
bis zur Dunkelheit gearbeitet, um so vielen Menschen wie möglich zu helfen. Die Bedingungen waren unglaublich. Dagegen ist die Obdachlosenklinik, die du gesehen hast, ein Luxuskrankenhaus. Das Schlimmste sind die Kinder, die bei Bombenattentaten verletzt werden … Und obwohl ich selbst sehr spartanisch untergebracht war, hatte ich noch ein schlechtes Gewissen, weil die Menschen dort teilweise so viel weniger hatten.“
„Kein Wunder, dass dich das mitgenommen hat.“
Er lächelte gequält. „Aber nicht so, wie alle Leute denken. Ich habe keine Depressionen, und ich leide auch nicht unter posttraumatischem Stress. Ich bin nur anders als früher.“
„Du findest Partys jetzt langweilig und oberflächlich“, warf sie ein, um die Stimmung etwas aufzuhellen.
„Das stimmt so auch nicht ganz. Ich habe nur Schwierigkeiten, mich dazugehörig zu fühlen. Nach allem, was ich gesehen habe, kann ich mit dem ganzen Überfluss nicht mehr viel anfangen. Dass ich vorher ein behütetes Leben geführt habe – in Watte gepackt, wie du so schön gesagt hast –, heißt ja nicht, dass ich mit den Erfahrungen im Irak nicht fertig geworden wäre. Ich kann bloß jetzt nicht so weitermachen wie vorher, als wäre nichts gewesen.“
„Ach so, dann war das Jahr im Irak für dich so wie meine Zeit bei meinen Großeltern“, sagte sie nickend. „Du hast dort das wirkliche Leben kennengelernt.“
„Ja, so könnte man es ausdrücken.“
„Und deshalb arbeitest du jetzt in der Obdachlosenklinik, statt dich als Chirurg nur im OP blicken zu lassen. Du kümmerst dich persönlich um deine Patienten. Ich habe gesehen, dass du einigen sogar Geld zugesteckt hast.“
Tate zuckte nur die Achseln. „Jedenfalls habe ich jetzt ein Problem mit all dem hier.“ Er deutete auf die teure Einrichtung im Raum.
„Und deshalb wohnst du im Gästehaus?“
„Ja, das ist auch mit ein Grund.“ Mit dem Zeigefinger schob er ihr eine Haarsträhne über die Schulter und streifte dabei ihre nackte Haut, bevor er die Hand wieder auf die Sofalehne legte.
„Und wie machst du das?“, fragte er.
„Wie mache ich was?“
„Wie schaffst du es, über Obdachlose zu berichten und dann friedlich in deinem warmen, weichen Bett zu schlafen?“
„Hast du etwa Schuldgefühle?“, fragte sie, plötzlich begreifend.
„Na ja, du hast mir doch selbst vorgeworfen, dass ich ein Luxusleben geführt habe – sollte ich mich deshalb etwa nicht schuldig fühlen?“
„Ich habe den Tate gemeint, den ich früher kannte. Aber du hast dich verändert. Und ich glaube dir, dass du keine Depressionen hast. Ich denke eher, dass du reifer geworden bist. Erwachsen. Du hast ein soziales Gewissen entwickelt, und das ist gut. Jetzt musst du nur noch ein Gleichgewicht zwischen beiden Polen finden. Denn es bringt ja nichts, wenn dieses Gewissen dich daran hindert, das zu genießen, was du nun mal hast.“
„Und wie findest du dieses Gleichgewicht?“
„Als du in den Irak gegangen bist, da hast du doch nicht gedacht, du könntest den Krieg beenden oder Buzz zurückbringen, oder?“
„Nein, natürlich nicht.“
„Du wolltest nur nach Kräften helfen.“
„Genau.“
„Und das meine ich. Selbst ein Tropfen im Ozean ist immer noch ein Tropfen. So sehe ich das jedenfalls. Du leistest für andere Menschen, wozu du imstande bist – und dann tust du, was für dich wichtig ist, um deine Batterien aufzuladen. Wie Geld auf dem Sparbuch – du gibst welches aus und zahlst welches ein. Da hast du ja auch kein schlechtes Gewissen, wenn du das Konto wieder auffüllst – denn das ist die Voraussetzung dafür, dass du wieder etwas ausgeben kannst. Wenn du nur gibst, ist deine Kraft irgendwann erschöpft, und dann kannst du niemandem mehr helfen. Der einzige Unterschied liegt darin, dass du dich auf luxuriösere Weise erholen kannst als die meisten anderen Menschen.“
Damit brachte sie ihn wie erhofft zum Lachen.
„Ich soll also einfach den Mund halten und genießen, was ich habe?“, fragte er lächelnd.
„Solange das nicht das Einzige ist, was du tust – so wie früher. Aber ich weiß jetzt aus erster Hand, wie sehr du dich für die sozial Schwachen engagierst. Und deshalb kannst du dich auch auf einem Ball im Country Club amüsieren oder hier im großen Haus wohnen. Genieß das, was du hast, bewusst – und hilf anderen Menschen nach Kräften. Ein guter Ausgleich.“
„Ich genieße deinen Anblick in diesem Kleid“, sagte er unvermittelt und ließ den Blick für einen Moment
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