Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maeve

Maeve

Titel: Maeve Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
Vom Netzwerk:
fegten die Felswand empor, ließen Duftballungen an ihrem Gesicht vorbeigleiten, eine komplizierte Mischung von Gerüchen, die ihre Nase kitzelten und ihren Verstand verblüfften, da sie sie mit ihrer Intensität hier, so hoch über dem Wald, überraschten.
    Die Gesteinswand war nach außen geneigt. Rauh und schroff, mit vielen Griffstellen für Hand und Fuß, sah sie nicht schwer zu erklettern aus, aber sie ging so weit hinunter. Aleytys schloß die Augen. „Swardheld, du hast nicht nur angegeben, hoffe ich. Du bist besser in der Lage, das zu schaffen.”
    Swardhelds Gesicht lachte sie aus der Dunkelheit heraus an.
    „Das? Freyka, dieser kleine Abhang ist beinahe flacher Boden im Vergleich zu einigen Bergwänden, die ich erklettert habe. Schau wieder über die Kante.”
    Aleytys öffnete die Augen. Jedesmal, wenn sie hinunter blickte, schien der Boden weiter entfernt zu sein. „Gesegneter Madar!”
    Die schwarzen Augen verengten sich in scharfsinniger Taxierung. „Überhaupt kein Problem — nicht, wenn du noch Sprungkraft in deinen Beinen hast, Leyta.”
    „Oh, fein.” Als sie auf die Füße krabbelte, begegnete sie Gwynnors verwundertem Blick. Sie schnellte eine Hand Richtung Klippe und sagte: „Bist du sicher, daß dies nötig ist?”
    Er ließ die Tauwindungen fallen und hielt ihr den Wasserschlauch hin. „Trink.”
    Sie hob den Beutel an und fing die letzten abgestandenen Tropfen auf der trockenen Zunge auf. Sie stieß den Stöpsel hinein und reichte ihm die schlaffe Haut zurück. „Du bestehst darauf.”
    Er nickte kurz und hob das Seil auf.,,Kennst du die Kletterknoten?”
    Gwynnor hatte beobachtet, wie die Sternenfrau zum fernen westlichen Horizont schaute, der Blick verschwommen, das Gesicht schlaff. Spricht wieder mit ihren Geistern, dachte er, und fühlte eine Enge in seiner Brust.
    „Ich fürchte mich vor ihr”, flüsterte er, die leisen Worte im Seufzen des Windes verborgen.
    Als er ihr das Seil reichte, straffte sich ihr Körper, änderte leicht, mit einer neuen Art, den Kopf zu halten, die Stellung. Die Augenbrauen über die verengten, grünblauen Augen gesenkt, den Mund verhärtet, war — als sie sprach — ihre Stimme tiefer als sonst:
    „Die Knoten?”
    Er sah zu, wie sich ihre Finger mit sicherem Wissen bewegten und einen Knoten banden, der fest hielt, jedoch im Notfall aufgerissen werden konnte. Der Knoten wurde mit genügendem Können gebunden: er war beruhigt. „Gut. Wer geht zuerst?”
    „Ich.” Das Wort war scharf, abgehackt, mit einem Gewicht von Autorität, anders als ihre gewohnte, freundliche, lässige Art. Es war, als wohnte eine andere Persönlichkeit in dem gewohnten Fleisch. Gwynnor spürte ein Zusammenziehen seines Magens, als er über diesen erschreckenden Gedanken nachsann. Dann sprach die Sternenfrau wieder:
    „Du bist hier schon geklettert?”
    „Nein.”
    Sie trat entschlossen an den Klippenrand. „Dann gehen wir hier hinunter. Folgen dem Spalt bis dorthin.” Sie zeigte auf eine Stelle, wo der Stein zu einem tief verwitterten Waschbrettmuster brach.
    „Wie bröckelig ist dieser Fels?”
    „Deine Augen scheinen so gut zu sein wie meine.” Er zuckte die Schultern.
    Sie nickte lebhaft. „Ich verstehe.” Sie knotete das Seil um die Hüfte und wartete dann, bis Gwynnor ihrem Beispiel folgte.
    „Strample mir keine Steine auf den Schädel.” Sie lächelte über seinen entrüsteten Ausruf. „Gehen wir!”
    Aleytys stampfte forsch mit den Füßen auf, um ihren Körper wie ein Paar zu enger Stiefel wieder anzuziehen. Als sie auf den steinigen Abhang zurückblickte, zog sie die Nase kraus und schüttelte den Kopf.
    Gwynnor wickelte das Seil über Hand und Ellenbogen auf, während die enger werdende Drehung das freie Ende herumspringen ließ. „Du bist schnell heruntergekommen.”
    „Je früher vom Felsen weg, desto besser.” Sie schnupperte nach dem Mischmasch von Gerüchen, das vom Waldrand her zu ihnen herüberschwappte. „Was für ein Gestank.”
    Die Erde unter ihren Stiefeln war schwer und schwarz, feucht genug, daß sie zentimetertief einsank. Es war eine lauernde Eigenart in der schweren, feuchten Luft, die so still und reglos um sie herum hing. Kein Laut, keine Insektengeräusche, kein Vogellied, nicht einmal ein Blätterrascheln. Nur der Geruch, stark genug, um ihren Kopf schmerzen zu lassen. Ihre Füße schlurften über die durchweichte Erde; es gefiel ihr nicht, Schlamm auf die Kleidung zu bekommen. Die lauernde Stille zerrte an den Nerven und

Weitere Kostenlose Bücher