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Maeve

Maeve

Titel: Maeve Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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vorzufinden.”
    „Ich … ich glaube nicht, daß er Sie erwartet hat, Erhabener.”
    „Ohne Zweifel. Wo ist er?”
    Mit formlos zuckenden Lippen kaute der Arzt an der Frage herum, dann murmelte er: „Er ist aufgebrochen, um die Dörfer niederzubrennen, wie Sie ihm aufgetragen haben, Erhabener.”
    „Hmm. Ist die Frau für das Verhör in Form?”
    „Sie ist zwanzig Meter tief auf knorrige Wurzeln gefallen.”
    „Ich glaube, du übertreibst.”
    „Mindestens ihre fünffache Höhe”, setzte der Arzt hastig hinzu.
    „Du hast meine Frage noch immer nicht beantwortet, Doktor.”
    Chu Manhanus Stimme war sanft, fast entschuldigend, jedoch quoll erneut Schweiß aus den groben Poren des Arztes und lief in trägen Rinnsalen über die zuckenden Wangen hinunter.
    „Die einzigen Verletzungen, die sie hat, sind Brüche an ihrem Arm und ihrem Bein.”
    „Wie erfreulich. Sehr gut. Eine bündige, exakte Antwort, Doktor. Vielleicht fährst du fort, weiterhin derart knapp zu antworten.
    Wer ist der Anführer dieser Gruppe?”
    Der Arzt zögerte kurz, dann zeigte er auf Tipylexne.
    „Ich wüßte gern, warum du deine Meinung geändert hast.” Der Direktor fuhr mit seinem Daumennagel über die weichen, geölten Haare seines Schnauzbartes.
    „Meine Meinung geändert?” Der Arzt stotterte unter der kalten Wucht des Direktor-Blickes. „Welcher Mann würde von einer Frau Befehle entgegennehmen?”
    „Wen versuchst du zu überzeugen?”
    Der Arzt sackte in sich zusammen. „Es muß der männliche Waldbewohner sein”, murmelte er. „Die anderen sind Junge, obwohl natürlich auch die Frau gefährlich sein könnte. Ich weiß es nicht.”
    „Deine sexuellen Vorlieben machen dich blind für das Offensichtliche. Wer war im Baum?”
    „Die Frau.”
    „Wer war dann die Hauptantriebskraft?”
    „Sie wollen, daß ich ,die Frau’ sage. Aber würde der Anführer nicht eher auf dem Boden sein und die Anstrengungen der anderen lenken?”
    „Du wärst auf dem Boden, da bin ich sicher. Los, Doktor. Information, Doktor. Direkt und ohne Umschweife.” Er legte eine Hand exakt auf sein Knie, plazierte dann die andere darüber.
    „Haben die Eingeborenen früher schon einmal Ärger gemacht?”
    „Warum fragen Sie mich?” platzte der Arzt heraus. Er vergaß seine Vorsicht. „Sie kennen die Antwort.”
    „Launenhaftigkeit, Doktor?” Mit ruhiger Exaktheit bewegte er seine Hände: Dieses Mal legte er die untere Hand obenauf. Einen Moment lang betrachtete er die neue Anordnung und bewegte jeden seiner Finger, um die anmutigste Haltung zu erreichen.
    „Wurde der Baum abgesucht?”
    Der Arzt starrte ausdruckslos vor sich hin.
    „Wurde der Baum, aus dem die Frau gefallen ist, nach den Instrumenten abgesucht, die sie benutzte, um den Schaden zu verursachen?” sagte Manhanu mit schrecklicher Geduld.
    „Ich … ich glaube, ja. Ingenieur Han …”
    „Ist nicht hier. Hat die Frau innere Verletzungen?”
    „Keine.”
    „Und das findest du nicht eigenartig?”
    Stummelartige Finger streichelten seine Kehle; der Arzt murmelte: „Eigenartige Dinge kommen vor.”
    Chu Manhanu hielt seine Hände hoch und betrachtete die Handrücken mit Zufriedenheit. „Nimm die Gipsverbände ab.”
    „Was?”
    „Nimm ihr die Gipsverbände ab”, wiederholte Manhanu geduldig. Seine Stimme fiel zu einem Rüstern ab, doch der Arzt zitterte, seine Gesichtsmuskeln zuckten unkontrolliert.
    Schwer sank er neben Aleytys nieder, wühlte in der Tasche, die er vor der Wand hatte stehen lassen, und zog seinen Vibroschneider heraus. Er stellte die Klinge auf einen Zentimeter ein, dann grub er Rillen in den steifen Kunststoff. Schließlich nahm er einen kleinen Hammer und schlug hart an den Schnittstellen der Gipsverbände entlang. Die Gipsverbände fielen sauber ab.
    „Nimm die auch ab.” Ein Finger deutete graziös auf die Bandagen unter dem Gipsverband.
    Der Arzt starrte ungläubig hin, als die Verbände abfielen und dort, wo zuvor nur zerfetzte Haut gewesen war, rosafarbene Haut mit rasch schwindenden Narben enthüllten. Er betastete das Fleisch mit zitternden Händen, ohne sich darum zu kümmern, ob er ihr weh tat. Dann grub er seinen Daumen in ihren Arm. „Weg!” kreischte er. Er sprang auf seine Füße, zitterte am ganzen Leib. „Sie war verwundet, das schwöre ich!”
    Die Nasenflügel des Direktors zuckten verächtlich. „Beruhige dich, Doktor. Natürlich war sie verletzt. Hier.” Er warf dem glotzenden Mann eine kleine, schwarze Schachtel zu. „Leg ihr

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